Mutmaßlicher Brokstedt-Amokläufer schon in Euskirchen mit psychischen Problemen
Stand: 28.02.2023, 11:42 Uhr
Ende Januar wurden in einem Zug von Kiel nach Hamburg in der Nähe von Brokstedt zwei Jugendliche (17,19) mit einem Messer erstochen. Nach WDR-Recherchen litt der mutmaßliche Täter schon lange unter psychischen Problemen.
Von Tobias Al Shomer
Der mutmaßliche Täter Ibrahim A., 33 Jahre alt
Der mutmaßliche Täter ist Ibrahim A., 33 Jahre alt, staatenloser Palästinenser. Ab Januar 2015 lebt er in einer städtischen Unterkunft für Geflüchtete in Bad Münstereifel-Iversheim. Das Haus liegt direkt an der Erft. Sein Anwalt Björn Seelbach beschreibt ihn als einen netten, fröhlichen Typen damals.
Depressive Phasen mit Selbstmord-Gedanken
Doch es gab wohl auch eine andere Seite, erzählt jemand, der ihn seit seiner Zeit in Bad Münstereifel kennt. Die Person will anonym bleiben. Im Gespräch berichtet sie, dass Ibrahim A. auch depressive Phasen hatte: „Er hatte häufiger geäußert, dass er nicht mehr leben wolle, weil er nicht zurecht kommt in der Welt, weil es zu viele Dinge gab, die ihm große Schmerzen bereiten.“
Unterkunft von Ibrahim A. in Bad Münstereifel-Iversheim
Das könnte an seiner Kindheit liegen, er ist in Gaza-Stadt in einem Flüchtlingslager aufgewachsen. Dorthin war seine Familie vor der Hamas geflohen. Die Zustände dort müssen schlimm gewesen sein. In Bad Münstereifel betäubt Ibrahim A. seinen Schmerz mit Drogen. Er raucht Cannabis. Das habe ihn leichter reizbar gemacht. Seine Zündschnur sei kürzer geworden, berichtet die Person.
Suche nach Therapie scheitert
Ibrahim A. erkennt das selbst, dass ihm die Drogen nicht gut tun und sucht Hilfe. Er will es mit einer Therapie versuchen. In der LVR-Klinik in Köln-Merheim wird er vorstellig und spricht bei drei bis vier Treffen mit einer Psychologin, berichtet die Person: „Wir sind einige Male dort gewesen und die Psychologin hatte ihm bei einer Gelegenheit erklärt, dass er beginnt, eine Psychose zu entwickeln und sie hat ihm ganz genau erklärt, was das bedeutet und das er aufhören muss, Haschisch zu rauchen oder irgendwelche anderen Drogen zu nehmen, weil sich sonst diese Psychose verstärken würde und irgendwann würde sie nicht mehr weggehen.“
Doch es kommt nie zu einer Therapie, weil er keinen Platz bei einem Therapeuten findet. Die LVR-Klinik wollte sich auf WDR-Anfrage nicht äußern, verweist auf die Schweigepflicht.
Viele Ermittlungsverfahren
Sicher ist: Ibrahim A. nimmt weiter Drogen, spätestens ab 2017 auch Kokain. Er kommt auch immer häufiger mit der Polizei in Kontakt. Im Herbst 2015 klaut er ein Parfüm in Bad Münstereifel, wird dafür per Strafbefehl des Amtsgerichts Euskirchen zu 75 Euro Geldstrafe verurteilt. Doch dabei bleibt es nicht. Insgesamt sind mehr als 20 Ermittlungsverfahren gegen ihn aktenkundig. Bis auf drei werden alle eingestellt.
Zuletzt lebte Ibrahim A. im Euskirchener Stadtteil Wißkirchen. In dieser Zeit hat er auch versucht, einen Schulabschluss zu machen. Doch das klappte nicht. Die Person sagt, wegen seines Drogenkonsums sei er wohl nicht regelmäßig hingegangen und er habe sich auch selbst überschätzt. Das Scheitern habe großen Frust bei ihm ausgelöst, so die Person. Mit diesem Frust verlässt Ibrahim A. im Dezember 2020 Euskirchen und zieht nach Norddeutschland. Anfang diesen Jahres kommt es dann in einem Zug von Hamburg nach Kiel bei Brokstedt in Schleswig-Holstein zum Anschlag.
Über dieses Thema berichten wir am 28. Februar 2023 im WDR Fernsehen: Lokalzeit aus Bonn, 19:30 Uhr.