Nach Sessionsauftakt: Heftige Polizeibilanz und erste Konsequenzen
Stand: 18.11.2022, 18:04 Uhr
399 angezeigte Straftaten verbucht die Kölner Polizei auf den Sessionsauftakt dieses Jahr. Eine Konsequenz: Kein Karneval mehr in der Kultkneipe "Oma Kleinmann" im Zülpicher Viertel.
Von Jochen Hilgers und Frank Piotrowski
Es dauert immer eine gute Woche bis es verlässliche Zahlen gibt. Jetzt hat die Polizei die Kriminalstatistik der Sessionseröffnung in Köln veröffentlicht. Kaum jemand ist verwundert, dass mit 399 angezeigten Straftaten die Zahl weit über dem Durchschnitt liegt. Vor allem das Studentenviertel Kwartier Latäng ist ein Brennpunkt. Bei der Sessionseröffnung war es dort so voll wie noch nie zuvor. Die Stadt will gegensteuern. Nur wie, das ist heute unklarer denn je.
Polizei mit Flaschen beworfen
Mit steigendem Alkoholpegel steigt auch die Aggressivität. Gegen Sicherheitsleute oder auch die Polizei. Prügelszenen sind besonders abends im Zülpicher Viertel an der Tagesordnung, wenn dort die Eröffnung der Session gefeiert wird. In diesem Jahr aber ist noch etwas anderes bemerkenswert. Das Viertel ist dem Ansturm einfach nicht mehr gewachsen. Absperrungen werden überrannt. Die Zülpicher Straße selbst ist zeitweise kaum passierbar.
Oliver Pilberg ist der stellvertretende Leiter der 15. Einsatzhundertschaft der Kölner Polizei. Der Beamte, der ruhig und besonnen wirkt, war auch am 11.11. im Einsatz. Flaschenwürfe aus dem Nichts würden auf Polizistinnen und Polizisten eingehen. Losgelöst von einzelnen polizeilichen Maßnahmen habe es Attacken aus der Umgebung gegeben, erzählt Pilberg. Soll heißen, auch wildfremde Leute haben sich eingemischt, wenn die Polizei zum Beispiel Diebstähle oder Körperverletzungsdelikte geahndet hat.
Wegen beängstigender Szenen: "Oma Kleinmann" wird nicht mehr feiern
Daraus ziehen die Ersten jetzt Konsequenzen: Die Gaststätte "Oma Kleinmann", in der seit 1949 Karneval gefeiert wird, wird künftig keine Karnevalsfeiern mehr veranstalten. Man müsse aufhören, wenn es am schlimmsten ist, sagt einer der Mitinhaber. Am vergangenen Freitag sei es einfach zu voll gewesen in der Zülpicher Straße. Stammgäste hätten so auch nicht mehr die Gaststätte erreichen können. Jetzt hat das Team der Oberbürgermeisterin einen Brief geschrieben. Darin fordern sie die Stadt auf, wieder für akzeptable Bedingungen in der Zülpicher Straße zu sorgen.
Heumarkt eine andere Welt
Dass es auch anders geht, zeigt der Blick auf den Heumarkt, wenige Kilometer Luftlinie entfernt. Dort ist die Welt am 11.11. in Ordnung. Bunte, friedliche feiernde Jecken schunkeln. Es herrscht in positivem Sinne beste Ordnung. Was heute kaum noch jemand weiß: Bis vor fünf Jahren war der Heumarkt auch ein Hotspot an Karneval.
Jugendliche kamen nur zum Saufen, erinnert sich Ralf Schlegelmilch, der als Präsident der Ostermanngesellschaft die Sessionseröffnung auf dem Heumarkt verantwortet. Er zog damals die Notbremse. Teile der Altstadt wurden danach abgesperrt, erklärt Schlegelmilch, teilweise werde Eintritt verlangt. Und das Konzept betreffe nicht nur den Heumarkt sondern die gesamte Altstadt.
Kurzfristig keine Lösung, sagt Gutachten
Eine Blaupause auch für das Zülpicher Viertel? In Köln treffen sich alle Verantwortlichen, Stadt, Polizei, Feuerwehr, Karnevalisten, Gastronomen oder Anwohner regelmäßig zu einem runden Tisch. Meistens kurz nachdem es wieder schief gegangen ist am Zülpicher Platz. Auf den setzt zum Beispiel Christoph Kuckelkorn vom Festkomitee Kölner Karneval. Die Kölner seien gastfreundlich und würden gerne mit ihren Gästen feiern. Es müssten aber andere Wege gefunden werden, die großen Massen der Besucher zu bewältigen.
So einfach scheint das nicht zu sein. Für viel Geld hat die Stadt im Sommer sogar ein Gutachten für die Sicherheit von Menschenmengen erstellen lassen. Ernüchternde Erkenntnis: Die Lage im Kwatier Latäng lässt sich kurzfristig nicht lösen, zum Beispiel wegen mangelnden Willens zur Zusammenarbeit zwischen einigen Beteiligten. Das sieht Stadtsprecher Alexander Vogel ähnlich, der dort ansetzen würde. Man suche Kompromisse mit verschiedenen Akteuren.
Alkoholverbot im öffentlichen Raum?
Aus heutiger Sicht wird es wahrscheinlich auch an Weiberfastnacht wieder zu Randalen und Überfüllung im Zülpicher Viertel kommen. Und natürlich am kommenden 11.11. der ausgerechnet auch noch auf einen Samstag fällt.
Da hilft vielleicht nur eins, sagt Ralf Schlegelmilch. Und das wäre: ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum. Feiern solle man in Gaststätten und Sälen. Polizist Oliver Pilberg hält Alkoholverbot alleine nicht für zielführend, stellt aber fest, dass Respekt mit Alkoholkonsum stehe und falle. "Wir werden immer mehr mit respektlosem Verhalten konfrontiert, je höher der Alkoholkonsum steigt."
Ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen hätte dazu auch noch einen unschätzbaren Vorteil. Die Bilder der Verwüstung zum Beispiel der Uniwiese, übersät mit Scherben würden damit wohl ebenfalls der Vergangenheit angehören. Dafür würde aber in Köln eine Zeitenwende eingeläutet und das würde bedeuten: Draußen wird trocken gefeiert.
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 18.11.2022 auch im Fernsehen: Lokalzeit Köln, 19.30 Uhr.