Ein Mann steht an einem Grab

Verstorbene Emily aus Mönchengladbach: Vater will mit neuer Stiftung aufklären

Stand: 12.12.2024, 13:33 Uhr

Die 13-jährige Emily war 2019 auf einer Klassenfahrt verstorben. Ihr Vater möchte nun mit einer Stiftung über Diabetes aufklären.

Von Piet Keusen

Auch fünfeinhalb Jahre nach dem Tod seiner Tochter Emily besucht Kay Schierwagen fast jeden Tag ihr Grab in Mönchengladbach. Es wird nicht leichter. Oben rechts, das ist seine Ecke. Diesen Bereich des Grabes dekoriert er je nach Jahreszeit. Im Moment hat er dort einen Weihnachtsbaum mit rotem Herz aufgebaut. Wenn er an das Grab seiner Tochter kommt, zündet Kay Schierwagen eine Kerze an, setzt sich auf eine drei Meter weit entfernte Bank und erzählt. „Ich erzähle Emily alles, was passiert“, sagt der 49-Jährige. Und im Moment hat er viel zu erzählen.

Denn es es ist viel passiert in den vergangenen Wochen. Viel Gutes zwischen all der Tragik um Emilys Tod. Im Sommer 2019 war die damals 13-Jährige während einer Klassenfahrt an den Folgen ihrer Diabetes-Erkrankung gestorben. Wegen Insulinmangels hatte sie einen Herzinfarkt erlitten. Obwohl ihre Mitschülerinnen sich bei ihren Lehrerinnen gemeldet hatten, haben diese zu spät reagiert. Wegen fahrlässiger Tötung hatte das Landgericht Mönchengladbach die 60 und 34 Jahre alten Frauen zu Geldstrafen verurteilt, weil sie sich im Vorfeld nicht über Emilys Erkrankung informiert hätten. Das Gericht urteilte: Sie hätten den Tod verhindern können. Das war im Januar.

Aufklärung durch eine Stiftung

Ein bunt geschmücktes Grab

Das bunt geschmückte Grab der verstorbenen Emily.

„Ich kann für Emily nichts mehr tun“, sagt ihr Vater Kay Schierwagen. „Aber ich kann vielleicht dafür sorgen, dass so etwas nicht noch einmal passiert.“ Deshalb hat er eine Stiftung gegründet, die Emily-Diabetes-Stiftung. Ziel ist es aufzuklären. „In Deutschland muss kein Mensch an Diabetes sterben und niemand muss sich wegen dieser Krankheit schämen, darüber wollen wir aufklären“, sagt Schierwagen. Mediziner sollen in Schulen Vorträge halten und die Krankheit so bekannter machen.

Denn obwohl jeder zehnte Deutsche an Diabetes erkrankt, findet die Krankheit öffentlich kaum statt. „Die Unterschiede zwischen angeborenem Typ-1-Diabetes oder Typ-2-Diabetes kennen nur wenige“, sagt zum Beispiel Professor Dr. Stephan Martin, Leiter des Westdeutschen Diabesteszentrums in Düsseldorf. Er findet, die Stiftung sei eine „sehr gute Idee.“ 2007 und 2019 hatte sein Institut eine Studie durchgeführt, um zu erfahren, was Schüler über Diabetes wissen. „Erschreckend wenig“, so Martin. „Zum Beispiel gingen mehr als die Hälfte davon aus, dass Typ-1-Diabetes durch den Verzehr von zu viel Zucker entsteht.“

20.000 Euro in den ersten Tagen

Genau da will die Stiftung ansetzen. „Emily hat früher anderen Kindern gezeigt, wie man Blutzucker misst oder mit ihnen über Diabetes gesprochen“, erinnert sich Kai Schierwagen, „das setzen wir jetzt fort.“ Die ersten 20.000 Euro an Spenden hat die Stiftung bereits eingenommen. Viele, nachdem er in einem Podcast Emilys Geschichte erzählt hat. In nur einer Woche ist dieser 200.000 Mal gehört worden. „Wahnsinn“, sagt Schierwagen. Am vergangenen Sonntag gab es in einer Kölner Eisdiele ein kleines Benefizkonzert der Sängerin Loana. Dort kamen mehr als 500 Euro zusammen. Der Grundstein ist gelegt.

Zusätzliche Mittel erhofft sich Kay Schierwagen von einer Schadenersatzforderung,die er an das Land NRW stellt. Vom Schulministerium als Dienstherrin der beiden verurteilten Lehrerinnen fordert er 125.000 Euro. „Nicht für mich, sondern für die Stiftung.“ Zum Beispiel für Sensoren und Insulin-Pumpen für Kinder aus armen Familien. Das Schmerzensgeld wird aber wohl erst dann fließen, wenn das Urteil rechtskräftig ist, denn die Lehrerinnen hatten beim BGH Revision eingelegt. Die Entscheidung dazu soll im neuen Jahr fallen.

Und sobald er sie kennt, wird Kay Schierwagen wieder zuerst zum Friedhof fahren, sich ans Grab setzen und Emily davon erzählen. „Sonst hab ich ein schlechtes Gewissen.“

Über dieses Thema berichten wir am 13.12. auch im Radio auf WDR 2 und im Fernsehen in der Lokalzeit aus Düsseldorf um 19:30 Uhr.

Unsere Quelle:

  • Reporter vor Ort