ImPuls - Thyssen-Krupp

Wirtschaftskrise - made in Germany | MEINUNG

Stand: 27.11.2024, 19:18 Uhr

Die Deutsche Wirtschaft ist in der Krise. Bevor wir über eine 4-Tage-Woche diskutieren, sollten wir Stellenabbau verhindern und Unternehmen Anreize geben in Deutschland zu produzieren, meint Ralph Sina.

Von Ralph Sina

Um mitzukriegen, dass unsere Wirtschaft nicht läuft, muss man nicht viel Ahnung haben. Egal, wo man hinsieht, hagelt es Eilmeldungen, wie diese hier: "Thyssenkrupp Steel will 5.000 Stellen streichen" und "600 Mitarbeitende geschockt: Thyssenkrupp schließt Werk in Kreuztal".

Thyssen-Krupp: Reaktionen

WDR Studios NRW 26.11.2024 00:56 Min. Verfügbar bis 26.11.2026 WDR Online


In Deutschland herrscht Wirtschaftskrise

In Wolfsburg verkaufen die ersten VW-Mitarbeiter ihre Häuser, die Autostadt droht zum Museum zu werden. Ford, Audi, Continental und Bosch: überall Massenentlassungen. Ob in der deutschen Auto- oder der Bauindustrie - in dieser "Wirtschaftskrise - made in Germany" wird zwangsläufig weniger Stahl gebraucht. Das trifft die Belegschaft des ohnehin von weltweiter Überproduktion und asiatischen Dumpingpreisen bedrohten, größten deutschen Stahlproduzenten, Thyssenkrupp Steel, hammerhart.

Egal, wo ich in den letzten Wochen zwischen Rhein und Weser war: überall ist das Gefühl "Land unter - Deutschland im freien Fall". Selbst im ehemaligen Mittelstands-Paradies, wie beim Familien-Unternehmen Miele in Gütersloh ist die deutsche Wohlstandswelt aus den Fugen. Stellen werden gestrichen oder nach Polen verlagert. Dringend benötigte neue Spezialisten, um zum Beispiel ein durchaus Erfolg versprechendes Outdoor-Cooking-Business in Kanada aufzubauen, kann Miele in einer Zeit der geplanten Massenentlassungen natürlich nicht einstellen. Da würde der Betriebsrat Kopf stehen. Und so verhindert zuweilen der deutsche Misserfolg auch neue Geschäfte. Kein Wunder, dass immer mehr Unternehmen buchstäblich die Koffer packen.

Abwanderung ins Ausland

Teile der Unternehmen oder gleich die gesamte Firma werden verlagert. In die USA, nach Kanada oder nach Osteuropa zum Beispiel. Das wirtschaftlich sehr dynamische Polen, aber auch Tschechien und Ungarn zählen zu den Top-Favoriten der "Wirtschafts-Flüchtlinge".

Das Münchener IFO-Institut bringt es in einer besorgniserregenden Analyse auf den Punkt: Deutschland gehört mittlerweile "zu den Schlusslichtern bei der Entwicklung der Wettbewerbsposition" und warnt vor einer großflächigen Abwanderung der Produktion aus Deutschland.

Die Liste der "Wirtschafts-Killer" ist lang

Die Ursachen der zunehmenden "Deutschland-Allergie" in der Wirtschaft sind so bekannt, dass es fast weh tut, sie zum gefühlt tausendsten Mal zu benennen.

Nehmen wir den Bereich Landwirtschaft: Ein Bauer sitzt heute mehr im Büro als auf dem Trecker. Die Bürokratie und die sogenannten "Berichterstattungspflichten" (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, um nur ein Beispiel zu nennen) treiben alle in den Wahnsinn.

Das hat zur Folge, dass Konzerne ihre Produktionsanlagen in Umzugscontainer packen lassen und gehen. Zum Beispiel von Marcello Danieli, dem Chef von Harder Logistics, dessen Vater aus Italien kam, um bei Fortuna Düsseldorf Fußball zu spielen. Danieli Junior ist einer der erfahrensten Augenzeugen der deutschen De-Industrialisierung. 320 deutschen Betrieben hat er in den letzten vier Jahren geholfen, ihre Geschäfte ins Ausland zu verlagern.

Darunter ein Maschinenbauer, der vier Jahre lang in Deutschland vergeblich darauf wartete, eine Baugenehmigung für sein neu erworbenes Grundstück zu bekommen. Zum Bürokratieirrsinn kommt als „Fluchtgrund“ die hohe deutsche Steuerlast. Ich habe sechs Jahre in Belgien gelebt: Nur das kleine Königreich übertrifft in Europa in diesem Punkt den deutschen Nachbarn. Dass Deutschland in Europa zu den Spitzenreitern bei den Stromkosten gehört, ist ein weiterer "Wirtschafts-Killer".

Wir können uns eine 4-Tage-Woche nicht leisten!

Was aber die nächste Regierung in Berlin - wann immer sie handlungsfähig sein wird - vor allem beschäftigen muss, ist der Fachkräftemangel.

Griechenland hat das längst begriffen und die 6-Tage-Woche eingeführt! Ausgerechnet Griechenland, das Wolfgang Schäuble wegen seiner Undiszipliniertheit zeitweilig aus dem Euro werfen wollte. Sicher kein Patentrezept für uns! Deutschland, das seit 2019 kein nennenswertes Wirtschaftswachstum mehr hat und an einer Rezension vorbeigeschrabbt ist, leistet sich immer wieder eine Diskussion über die 4-Tage-Woche, anstatt ernsthaft Fachkräfte ins Land zu holen.

Wie kommen wir raus aus der Krise?

Weniger gängelnde Regulierungen in Sachen Arbeitsrecht und Tages- und Wochenarbeitszeit wären ein befreiender Anfang.

Deutsche Unternehmen gehen in die Schweiz, nicht etwa, weil Löhne dort niedriger sind, sondern die Arbeitszeitregelungen flexibler.

Wir haben gut ausgebildete Arbeitskräfte. Um unser duales Ausbildungssystem beneidet uns sogar China. Beim Besuch einer Veranstaltung der Bezirksregierung Düsseldorf habe ich erfahren, dass chinesische Jugendliche aus vermögenden Familien bis zu zehntausend Euro bezahlen, um einen Ausbildungsplatz in NRW zu bekommen. "Ausbildung made in Germany" hat also durchaus nach wie vor Weltruf. Die Bundesrepublik verfügt über brillante Unternehmer.

Gerade ist es der auf Geothermie und Bergbau spezialisierten Firma Vulcan Energie im Oberrheingraben gelungen, umweltschonend Lithium zu fördern. Nur ein Beispiel dafür, dass eine bestimmte Form von Bergbau gerade wegen "grüner Technologien" Zukunft hat. Jedenfalls, wenn Forscher und Erfinder in Germany nicht durch zu viel Regulierungswut vertrieben werden. Die Grundlagen für KI und ChatGPT wurden in den neunziger Jahren an der Uni München entdeckt!

Viele der klügsten Forscher und Entwickler arbeiten in Deutschland. Sie brauchen mehr Raum für Neugierde und den Anreiz, erfolgreich zu sein.

Dann kann Deutschland wieder einen Spitzenplatz in Sachen Innovation einnehmen. Und in Puncto Wohlstand.

Um auf Duisburg zurückzukommen: Den Aufsichtsrat der kränkelnden Stahlsparte leitet mittlerweile die belgische Top-Managerin Ilse Henne. "Ich bin Ilse", stellt sich die 52-Jährige gern betont unkompliziert vor. Ihre Management-Philosophie erklärt sie gern anhand der Kreuzung am Arc de Triomphe.

"Eine Kreuzung mit 4 Straßen können sie noch mit Ampeln regeln. Wenn es 16 Straßen sind, wie am Arc de Triomphe, dann lässt man es besser bleiben mit den Ampeln und überlässt es denen, die fahren, richtig zu handeln. Nur ein paar grundsätzliche Regeln muss es geben. Betrunken zu fahren, das muss verboten bleiben", zitiert FAZ-Kollegin Nadine Bös Thyssenkrupp-Managerin Ilse Henne.

Vielleicht kann Deutschland davon etwas lernen.

Wie erlebt ihr die Wirtschaftslage in Deutschland gerade? Was muss passieren, um sie wieder anzukurbeln? Lasst uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

Korrekturhinweis:
In einer früheren Version haben wir geschrieben, dass Deutschland die höchsten Energiepreise weltweit hat. Das war falsch, Deutschland gehört zu den Spitzenreitern, hat aber nicht die höchsten Strompreise von allen.

Kommentare zum Thema

79 Kommentare

  • 79 Tassilo Stammtisch 04.12.2024, 13:12 Uhr

    Wir sollten alle Unternehmen, die beabsichtigen Deutschland zu verlassen darin bestärken, dies auch wirklich vollständig zu tun. Rückbau, Altlasten auf Kosten der Unternehmen beseitigen und tschüss. Unsere Gesellschaft könnte sich dann ganz neu definieren. Wie wollen wir leben, was sind unsere Werte und was brauchen wir denn wirklich??? Der Arbeitsmarkt sollte sich an die Gesellschaft anpassen und nicht umgekehrt. Und Unternehmen, die hier nicht steuerlich veranlagt werden wollen und ausschließlich Nutznießer des freien Marktes sind, sollten ebenfalls Leine ziehen. Keine Drohgebärden mehr, einfach tschüss und Auf Wiedersehen. Denn unsere Demokratie hat einen entscheidenden Fehler: DIE EXPONENTIELL WACHSENDE VERMÖGENSVERTEILUNG.

  • 78 Scheibenklar im Bus 04.12.2024, 08:39 Uhr

    Bei Ford läuft EXPLORER? u. CAPRI? vom Band, obwohl es die Ladeinfrastruktur noch nicht gibt. Bei Miele war der Lieferdienst MCheff nicht durchdacht. Weltweit 8 Produktionsstandorte sollten auch die Möglichkeit schaffen, zusätzliches Personal zu akquirieren, ohne das sinnvolle Arbeitszeitgesetzt in Deutschland in Frage zu stellen, Herr Sina. Durch die Übernahme der Otto Wilde Grillers muss Miele jetzt eine Outdoorküche, die namentlich fast wie ein Maschinengewehr klingt,G32, vermarkten. Ein Over-fired-broiler mit 900 Grat Leistung für die Steakhausqualität auf der eigenen Terrasse klingt auch nicht besonders nachhaltig (ich mag dieses Wort auch nicht). Dabei ist die weltweite Logistik das Kernproblem und nicht der hiesige Arbeitnehmer.

  • 77 Umweltbetrachter im Bus 04.12.2024, 07:56 Uhr

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  • 76 Anonym 04.12.2024, 05:35 Uhr

    Das Einzige, was bei Olafs Berliner Wunderluschenresterampe noch funktioniert und sie in ihren Ämtern hält ist der Super-2-Komponentenkleber Uhu-endfest. Daß sich Jemand Kanzler von 83 Mio. Michels nennen darf, der aktuell laut Civey nur noch von 27,8 % Wählern gestützt wird; das gab es in der BRD historisch noch nie. Olaf ist mit seiner Angsthasenpolitik gegenüber Putin das größte Sicherheitsrisiko in Nato und und Europa, Robi verprasst die hart erschuftete Michelkohle als sog. Subventionen in der ganzen Welt für jeden Furz, der dort unkontrolliert entweicht und seine Analena gefällt sich darin , auf allen roten Teppichen in high-heels, Designerkluft wie Claudia Schffer herumzustöckeln, besonders, wenn sie bunt angepinselt in Kriegsoptik teuerst mit dem Staats-Airbus uneingeladen in Israel auftaucht ! Wann macht es endlich in D wieder Wumms und wir werden von den Drei von der Tankstelle erlöst.Olaf,hörst Du uns?Wir warten auf Deinen Wumms , aber bitte ganz schnell !

  • 75 Nationalist 04.12.2024, 01:00 Uhr

    Bei „Abwanderung ins Ausland“ müssen die „Wirtschafts-Flüchtlinge" irgendwo hin. Die Ukraine hat schon arbeitsintensive Kabelbäume für Deutschlands Autos produziert, als für die Einfuhr zusätzlich Zoll angefallen ist. Fällt Zoll weg durch Erweiterung der EU, lohnt sich noch mehr die Produktion in Ländern mit massiv niedrigen Löhnen, wie Ukraine, Moldawien oder Georgien. Unser Mainstream verkauft Lohndumping in der EU als Erfolgsmodell. Egal ob 4 Tage Woche oder 6 Tage Woche, die Kosten pro Stunde Arbeit stehen in Konkurrenz zum Ausland. Zoll kann nicht alles ausgleichen aber doch einiges. Kommt nicht mehr Nationalismus zum Schutz unserer Löhne, was bei uns als Protektionismus negativ verkauft wird, gehen wir im Neoliberalismus unter. Und Produktion die einmal ins Ausland abgewandert ist, holt man nicht so leicht wieder zurück.

  • 74 Anonym 03.12.2024, 23:44 Uhr

    Schon Hans Eichel (SPD) hatte als FinanzministerSubventionenals sog, "Subventionssumpf" gegeisselt und versucht , ihn, der damals ca Euro 160 Mrd. Euro p.A. betrug, trocken zu legen . Er ist dabei krachend gescheitert, weil all die vielen Lobbyisten die davon profitiert hatten , gehörig Stimmung gegen ihn gemacht und ihn aus dem Amt gefegt hatten. Der aktuelle Subventionssumpf liegt mindestens 4 Male höher und besonders der fesche Robert hat durch seine Subventionsorgienwut dazu beigetragen, daß er jetzt rekordhöchst besteht. Das Geld ist in der Rezession vollständig verbrannt; das zeigt sich z.B. an der 1 volle Milliarde Euro Staatskohle, die er in den schwedischen Batterieproduzenten Northvolt als Bürgschaft versenkt hat.Das Geld ist ganz weg, weil Northvolt jetzt pleite ist. In Intel wollte er schon 10 Milliarden Euro versenken und TSMC hat schon 5 Mrd. Micheleuro gekriegt,produziert aktuell auch auf Halde. Fazit; Robi hat von Hans also nix gelernt. Armer Michel !

  • 73 Anonym 03.12.2024, 12:38 Uhr

    Unser aller Robert hat bereits Hunderte Milliarden Michel-Euros als sog. "Subventionen , z. B an den Pleitier Northvolt allein 600 Mio. , versenkt und verbrannt , aber die Teens , Twens und NDR-Talk-Show -Lady Miosga schmachten ihn immer noch an ? Wie doof ist D ?

  • 72 Kulidoof-D for ever ! 03.12.2024, 12:17 Uhr

    Wir wummswummsverdoofte "Kartoffeln" sind in Kuli-D für die ganze Welt die Kandidaten und malochen,malochen,malochen, bis zum Exitus !

  • 71 Anonym 02.12.2024, 20:47 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • 70 Hans 02.12.2024, 16:50 Uhr

    Natürlich brauchen wir eine 4 Tage Woche. Das sind dann 20% weniger Umweltverschmutzung ! Und wenn die Produktionen abwandern, werden wir zwar ärmer aber umweltverträglicher. Ist doch alles gut.

  • 69 M. Lechmann 02.12.2024, 10:11 Uhr

    Ob Olaf Scholz mit Cum-Ex- Affäre oder BlackRock-Friedrich Merz der ärmere Hälfte der Bevölkerung oder Mittelschicht nützt? Statt Straßen, Brücken und Schienen zu sanieren, für bessere Bildung unserer Kinder sorgen oder die Altersarmut von Millionen Rentnern zu bekämpfen, gibt es milliardenschwere Waffenlieferungen und teure Sanktionen für die Ukraine.  Ob eine EU Erweiterung sinnvoll ist, dazu sollten mal die Menschen im Ruhrgebiet befragt werden. Nach den Erfahrungen mit der letzten EU-Erweiterung sehe ich das kritisch.