Wirtschaftskrise – made in Germany | MEINUNG
Stand: 27.11.2024, 06:00 Uhr
Die Deutsche Wirtschaft ist in der Krise. Bevor wir über eine 4-Tage-Woche diskutieren, sollten wir Stellenabbau verhindern und Unternehmen Anreize geben in Deutschland zu produzieren, meint Ralph Sina.
Von Ralph Sina
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KommentierenUm mitzukriegen, dass unsere Wirtschaft nicht läuft, muss man nicht viel Ahnung haben. Egal, wo man hinsieht, hagelt es Eilmeldungen, wie diese hier: "Thyssenkrupp Steel will 5.000 Stellen streichen" und "600 Mitarbeitende geschockt: Thyssenkrupp schließt Werk in Kreuztal".
In Deutschland herrscht Wirtschaftskrise
In Wolfsburg verkaufen die ersten VW-Mitarbeiter ihre Häuser, die Autostadt droht zum Museum zu werden. Ford, Audi, Continental und Bosch: überall Massenentlassungen. Ob in der deutschen Auto- oder der Bauindustrie - in dieser "Wirtschaftskrise - made in Germany" wird zwangsläufig weniger Stahl gebraucht. Das trifft die Belegschaft des ohnehin von weltweiter Überproduktion und asiatischen Dumpingpreisen bedrohten, größten deutschen Stahlproduzenten, Thyssenkrupp Steel, hammerhart.
Egal, wo ich in den letzten Wochen zwischen Rhein und Weser war: überall ist das Gefühl "Land unter - Deutschland im freien Fall". Selbst im ehemaligen Mittelstands-Paradies, wie beim Familien-Unternehmen Miele in Gütersloh ist die deutsche Wohlstandswelt aus den Fugen. Stellen werden gestrichen oder nach Polen verlagert. Dringend benötigte neue Spezialisten, um zum Beispiel ein durchaus Erfolg versprechendes Outdoor-Cooking-Business in Kanada aufzubauen, kann Miele in einer Zeit der geplanten Massenentlassungen natürlich nicht einstellen. Da würde der Betriebsrat Kopf stehen. Und so verhindert zuweilen der deutsche Misserfolg auch neue Geschäfte. Kein Wunder, dass immer mehr Unternehmen buchstäblich die Koffer packen.
Abwanderung ins Ausland
Teile der Unternehmen oder gleich die gesamte Firma werden verlagert. In die USA, nach Kanada oder nach Osteuropa zum Beispiel. Das wirtschaftlich sehr dynamische Polen, aber auch Tschechien und Ungarn zählen zu den Top-Favoriten der "Wirtschafts-Flüchtlinge".
Das Münchener IFO-Institut bringt es in einer besorgniserregenden Analyse auf den Punkt: Deutschland gehört mittlerweile "zu den Schlusslichtern bei der Entwicklung der Wettbewerbsposition" und warnt vor einer großflächigen Abwanderung der Produktion aus Deutschland.
Die Liste der "Wirtschafts-Killer" ist lang
Die Ursachen der zunehmenden "Deutschland-Allergie" in der Wirtschaft sind so bekannt, dass es fast weh tut, sie zum gefühlt tausendsten Mal zu benennen.
Nehmen wir den Bereich Landwirtschaft: Ein Bauer sitzt heute mehr im Büro als auf dem Trecker. Die Bürokratie und die sogenannten "Berichterstattungspflichten" (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, um nur ein Beispiel zu nennen) treiben alle in den Wahnsinn.
Das hat zur Folge, dass Konzerne ihre Produktionsanlagen in Umzugscontainer packen lassen und gehen. Zum Beispiel von Marcello Danieli, dem Chef von Harder Logistics, dessen Vater aus Italien kam, um bei Fortuna Düsseldorf Fußball zu spielen. Danieli Junior ist einer der erfahrensten Augenzeugen der deutschen De-Industrialisierung. 320 deutschen Betrieben hat er in den letzten vier Jahren geholfen, ihre Geschäfte ins Ausland zu verlagern.
Darunter ein Maschinenbauer, der vier Jahre lang in Deutschland vergeblich darauf wartete, eine Baugenehmigung für sein neu erworbenes Grundstück zu bekommen. Zum Bürokratieirrsinn kommt als „Fluchtgrund“ die hohe deutsche Steuerlast. Ich habe sechs Jahre in Belgien gelebt: Nur das kleine Königreich übertrifft in Europa in diesem Punkt den deutschen Nachbarn. Die höchsten Energiekosten weltweit sind ein weiterer "Wirtschafts-Killer".
Wir können uns eine 4-Tage-Woche nicht leisten!
Was aber die nächste Regierung in Berlin - wann immer sie handlungsfähig sein wird - vor allem beschäftigen muss, ist der Fachkräftemangel.
Griechenland hat das längst begriffen und die 6-Tage-Woche eingeführt! Ausgerechnet Griechenland, das Wolfgang Schäuble wegen seiner Undiszipliniertheit zeitweilig aus dem Euro werfen wollte. Sicher kein Patentrezept für uns! Deutschland, das seit 2019 kein nennenswertes Wirtschaftswachstum mehr hat und an einer Rezension vorbeigeschrabbt ist, leistet sich immer wieder eine Diskussion über die 4-Tage-Woche, anstatt ernsthaft Fachkräfte ins Land zu holen.
Wie kommen wir raus aus der Krise?
Weniger gängelnde Regulierungen in Sachen Arbeitsrecht und Tages- und Wochenarbeitszeit wären ein befreiender Anfang.
Deutsche Unternehmen gehen in die Schweiz, nicht etwa, weil Löhne dort niedriger sind, sondern die Arbeitszeitregelungen flexibler.
Wir haben gut ausgebildete Arbeitskräfte. Um unser duales Ausbildungssystem beneidet uns sogar China. Beim Besuch einer Veranstaltung der Bezirksregierung Düsseldorf habe ich erfahren, dass chinesische Jugendliche aus vermögenden Familien bis zu zehntausend Euro bezahlen, um einen Ausbildungsplatz in NRW zu bekommen. "Ausbildung made in Germany" hat also durchaus nach wie vor Weltruf. Die Bundesrepublik verfügt über brillante Unternehmer.
Gerade ist es der auf Geothermie und Bergbau spezialisierten Firma Vulcan Energie im Oberrheingraben gelungen, umweltschonend Lithium zu fördern. Nur ein Beispiel dafür, dass eine bestimmte Form von Bergbau gerade wegen "grüner Technologien" Zukunft hat. Jedenfalls, wenn Forscher und Erfinder in Germany nicht durch zu viel Regulierungswut vertrieben werden. Die Grundlagen für KI und ChatGPT wurden in den neunziger Jahren an der Uni München entdeckt!
Viele der klügsten Forscher und Entwickler arbeiten in Deutschland. Sie brauchen mehr Raum für Neugierde und den Anreiz, erfolgreich zu sein.
Dann kann Deutschland wieder einen Spitzenplatz in Sachen Innovation einnehmen. Und in Puncto Wohlstand.
Um auf Duisburg zurückzukommen: Den Aufsichtsrat der kränkelnden Stahlsparte leitet mittlerweile die belgische Top-Managerin Ilse Henne. "Ich bin Ilse", stellt sich die 52-Jährige gern betont unkompliziert vor. Ihre Management-Philosophie erklärt sie gern anhand der Kreuzung am Arc de Triomphe.
"Eine Kreuzung mit 4 Straßen können sie noch mit Ampeln regeln. Wenn es 16 Straßen sind, wie am Arc de Triomphe, dann lässt man es besser bleiben mit den Ampeln und überlässt es denen, die fahren, richtig zu handeln. Nur ein paar grundsätzliche Regeln muss es geben. Betrunken zu fahren, das muss verboten bleiben", zitiert FAZ-Kollegin Nadine Bös Thyssenkrupp-Managerin Ilse Henne.
Vielleicht kann Deutschland davon etwas lernen.
Wie erlebt ihr die Wirtschaftslage in Deutschland gerade? Was muss passieren, um sie wieder anzukurbeln? Lasst uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.
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