95 Jahre lang kickte Alemannia Aachen in einem Stadion, das schlicht „Tivoli“ hieß. Im kommenden Jahr will der Traditionsclub aber um den Aufstieg in die Dritte Liga mitspielen – und fand einen Namenssponsor für die Arena: einen Glücksspielanbieter. „Tivoli Merkur Arena“ – das wäre der Wunschname der Alemannia-Verantwortlichen. In der Winterpause gab es Gespräche mit dem Unternehmen, das im Tivoli bereits eine Spielbank betreibt. Doch noch zögert der Eigentümer der Immobilie – die städtische Stadion-Beteiligungsgesellschaft ASB.
Bruch mit langer Tradition
Der Verein hat sich allerdings die Entscheidung nicht leicht gemacht, mit dieser Form der Vermarktung zusätzliche Einnahmen zu generieren. In Aachen bedeutet sie den Bruch mit einer sehr langen Tradition. „Tivoli“ war über fast ein Jahrhundert gleichbedeutend mit Fußball.
Als die erste Spielstätte 1928 eröffnete, erhielt sie den Namen eines nahegelegenen Gutshofs: Tivoli. Nach dem Krieg wurde die Alemannia Vizemeister, erlebte Auf- und Abstiege, triumphale Siege gegen Bayern München. Als sich der „Kult-Kasten“ im neuen Jahrtausend als nicht mehr sanierungsfähig erwies, war klar: Auch der Neubau soll „Tivoli“ heißen – und nichts weiter. Um die 50 Millionen Euro ohne Namensvermarktung zusammenzubringen, kauften Fans sogar Anleihen – und verloren fast das ganze Geld.
Prestigebau zu groß
Denn der 2006 zu Bundesligazeiten konzipierte 33.000-Zuschauer-Prestigebau war schon zur Eröffnung für den inzwischen abgestiegenen Club zu groß. 2012 brachen die Kosten des neuen Tivoli dann der in die dritte Liga abgerutschten Alemannia finanziell endgültig das Genick.
Jetzt, nach der zweiten Insolvenz und zehn Jahre Regionalliga, soll der Tivoli Mittel für den Aufstieg freimachen. Merkur, als Casinobetreiber in einem ungenutzten Teil des VIP-Bereiches quasi Nachbar der Fußballer, ist bereit, Namenssponsor zu werden. Die Pläne des Alemannia-Aufsichtsrats tauchten im Januar zunächst in der Presse auf, was in Aachen für Kopfschütteln sorgte. Immerhin hatte der klamme Verein das Stadion längst an die ASB, eine Beteiligungsgesellschaft der Stadt Aachen verkauft, und wie ein Gebäude heißt, sollte nach deren Ansicht eigentlich der Eigentümer entscheiden, nicht der Mieter.
Weniger Miete?
Der Ärger verrauchte schnell, die Verantwortlichen steckten die Köpfe zusammen und fanden eine Lösung: Nach WDR-Informationen überweist der Namenssponsor an die ASB, und die verlangt im Gegenzug entsprechend weniger Miete von der Alemannia. Um große Summen dürfte es nicht gehen. Genaueres wollen die Beteiligten nicht verraten, aber dem Vernehmen nach steht ein niedriger sechsstelliger Betrag im Raum.
Kurz vor der Aufsichtratssitzung am Freitag, 24. März bekamen die im Aufsichtrat vertretenen Politiker aber noch Bedenken. Der Mehrheit wäre ein Sponsor lieber, der nicht unbedingt aus dem Bereich Glücksspiel kommt. Bis nach Ostern soll sich die Alemannia auf die Suche begeben. Bleibt diese erfolglos, wird der Deal wohl trotzdem kommen, so der Aufsichtsratsvorsitzende Carsten Schaadt von den Grünen. Ironie am Rande: Eigentlich ist schon seit Februar die gesamte Regionalliga West ein Glücksspiel – allerdings eines unter einem anderen Namen: Westlotto ...