Höchste Auszeichnung: Verdienstkreuz für Angela Merkel

Stand: 17.04.2023, 21:17 Uhr

Große Ehre für Angela Merkel: Der ehemaligen Kanzlerin ist am Montagabend der höchste Verdienstorden verliehen worden, den sie als ehemalige Kanzlerin bekommen kann. Für die Auszeichnung mit dem "Großkreuz des Verdienstordens" gibt es viel Zustimmung, aber auch Kritik.

Zustimmung gab es am Abend bei der Verleihung nicht ganz überraschend von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der über die Verleihung zu entscheiden hat: "Sie haben mit Ihrer Kanzlerinnenschaft dafür gesorgt, dass eine Frau an der Spitze der Regierung, dass auch weibliche Macht für immer eine Selbstverständlichkeit in unserem Land sein wird", sagte er zu Merkel.

Steinmeier lobte vor allem ihr Durchsetzungsvermögen: Als Naturwissenschaftlerin aus Ostdeutschland habe sich Merkel "ohne Vorbilder und ohne Seilschaften Ihren Weg durchs parteipolitische Unterholz suchen und bahnen" müssen. Und so sieht die Anerkennung "in besonderer Ausführung" aus: Ein sechseckiger Bruststern, Rot auf Gold, mit einem Adler in der Mitte, der mit Lorbeerblättern umkränzt ist.

Exklusive Gästeliste

Schloss Bellevue

Hier wird der Orden verliehen: Schloss Bellevue

Für die Feierlichkeiten im Schloss Bellevue durfte Merkel die Gästeliste zuvor selbst bestimmen. Familie, persönliche Freunde und Weggefährten sollten dabei sein - allerdings niemand aus der politischen Führungsriege. Eingeladen waren zum Beispiel Franz Müntefering, Vize-Kanzler der ersten Großen Koalition. Zu ihm hat Merkel offensichtlich einen guten Draht. Ebenfalls unter den ausgesuchten Gästen sind der Schauspieler Ulrich Matthes und Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann.

Jeder Bundeskanzler bekommt nach dem Ausscheiden aus dem Amt einen Orden verliehen. Es liegt allerdings allein im Ermessen des Bundespräsidenten, welche Version er überreicht. Das Bundesverdienstkreuz gibt es in acht verschiedenen Kategorien - die höchste ist die sogenannte "Sonderstufe des Großkreuzes". Merkel hat den Verdienstorden der Stufe 7 bekommen, das "Großkreuz". Das hatten vor ihr nur die ehemaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer und Helmut Kohl erhalten.

Die höchste Stufe 8 ist Staatsoberhäuptern und ihren Familienangehörigen vorbehalten.

Nach dem Abgang: Viel Lob für die Kanzlerin

Als Merkel Ende 2021 nach 16 Jahren aus dem Amt schied, beendete sie sogleich ihre gesamte politische Karriere. Sie war auch die erste Kanzlerin, die aus freien Stücken den Platz räumte. In ihrer Amtszeit hatte sie viele Krisen zu bewältigen: Finanzkrise, Schuldenkrise, Flüchtlingskrise, Brexit und Corona.

Merkel habe als erste Frau die Geschicke des Landes an der Spitze mitbestimmt und dabei "die ganze Härte des Politikbetriebs erfahren", sagte SPD-Chefin Saskia Esken gerade dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Alle Anfeindungen, nicht selten gespeist aus Geringschätzung und Hass gegenüber starken Frauen, habe sie "auf ihre uneitle Art" an sich abperlen lassen. "Ihre Gegner aus den eigenen wie aus fremden Reihen bissen sich an ihrer Integrität und ihrem feinen Humor die Zähne aus."

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte dem RND, Merkel habe das Land mit ihrer Kanzlerschaft wie nur wenige andere geprägt. "Man muss nicht mit ihrem gesamten Wirken einverstanden sein, um ihre großen Verdienste anzuerkennen."

Blick auf Merkel-Vermächtnis: Auch Fülle an ungelösten Problemen

Flüchtlingspolitik, Reformstau, Energie-Abhängigkeit sind die Schlagworte, die immer wieder fallen, wenn rückblickend kritisch vom Merkel-Erbe die Rede ist. Vor allem mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine wurde im Nachhinein Merkels Russland-Politik kritisiert.

Großer Zapfenstreich für Merkel

Verabschiedung: Großer Zapfenstreich für Merkel

Als Angela Merkel aus dem Kanzleramt ausschied, hätten viele ein Vakuum befürchtet, weil die Krisenmanagerin weg war, sagt die Journalistin Kristina Dunz gegenüber dem WDR. Im Nachhinein zeigte sich durch den Ukrainekrieg aber eine viel größerer Krise.

Bei der Fülle an ungelösten Problemen - allem voran der Klimawandel - tauchten nun doch größere Fragen auf, was in den 16 Jahren Kanzlerschaft nicht gemacht worden sei. "Sie galt ja mal als Klimakanzlerin, hat sich aber dann nicht so durchgesetzt wie sie es wollte." Jetzt sehe man die Situation "wie durch ein Brennglas, weil die Probleme so schnell und so dramatisch werden. In der Schuldenkrise, der Eurokrise oder der Flüchtlingskrise hat kein Mensch nach Klimaschutz gefragt", so Kristina Dunz, die Merkel seit der Wahl 2005 journalistisch begleitet hat.

"Die Bundeskanzlerin wird heute mit dem was man weiß und mit dem, was passiert ist, natürlich kritischer gesehen." Kristina Dunz, Journalistin

Aus diesem Blick heraus zeige sich, was falsch gelaufen sei. "Man hat sich in falscher Sicherheit gewogen, dass man in Russland einen verlässlichen Partner hat. Aber wir machen den Fehler bei China gerade wieder", so Dunz.

Kritik an Sozialpolitik

Andere kritisieren Merkel vor der bevorstehenden Verleihung des höchsten Ordens der Bundesrepublik hingegen scharf. So sieht der Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission darin sogar einen Fehler. "Der Bundespräsident schadet damit der Demokratie und ihrer Glaubwürdigkeit", heißt es in einem Beitrag des Historikers Andreas Rödder für den "Tagesspiegel".

Rödder kritisiert neben Merkels Russlandpolitik auch ihre Sozialpolitik. Schließlich habe Merkels Stil der "Alternativlosigkeit" zu einem bedenklichen Wandel der demokratischen Kultur geführt - von einer rationalen Skepsis hin zu einem Dogmatismus.

Umfrage: "Politiker polarisieren immer"

Laut einer Umfrage von November 2022 wollen 71 Prozent der Deutschen Angela Merkel nicht als Bundeskanzlerin zurück, knapp ein Viertel (23 Prozent) hingegen schon. Und 43 Prozent der Befragten fanden, Merkel sei als Bundeskanzlerin besser gewesen als der aktuelle Regierungschef Olaf Scholz (SPD).

"Politiker polarisieren immer", so ein junger Mann gegenüber dem WDR bei einer spontanen Straßenumfrage. "Einen Krieg sieht man nicht voraus." Und eine junge Frau ergänzt: "Die Frage ist doch: Wie hätte ein anderer das gelöst. Es gibt nie eine perfekte Lösung."

Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Hörfunk und Fernsehen am 17.04.2023.