Verfassungsschutz meldet Anstieg politischer Straftaten in NRW

Stand: 13.04.2023, 16:50 Uhr

Extremismus, Gewalt und Cyberangriffe aus dem Ausland: Innenminister Reul (CDU) hat sich bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts besorgt über die Gefahren für die Demokratie gezeigt.

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Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist in NRW um fast 40 Prozent angestiegen. Dies teilte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag in Düsseldorf bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2022 mit. 2022 gab es demnach in Nordrhein-Westfalen insgesamt 8.948 politisch motivierte Straftaten (2021: 6.399).

Zu einem Großteil sei der Anstieg auf mehr Straftaten von Demokratiefeinden zurückzuführen - etwa Körperverletzungen, Propagandataten und massenhaft Verstöße gegen das Versammlungsrecht. Zahlreiche Fälle ließen sich nicht klar nach einer politischen Richtung verorten. Die Zahl der Straftaten mit dem Vermerk "nicht zuzuordnen" wuchs im Vergleich zum Vorjahr um 113,7 Prozent von 1.787 auf 3.819 Straftaten an.

Krieg in der Ukraine mit Folgen in NRW

 Juergen Kayser Leiter des Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen Herbert Reul in der Landespressekonferenz NRW bei der Vorstellung des Verfassungsschutzbericht 2022

Der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, Jürgen Kayser, neben Innenminister Herbert Reul (CDU, r)

Viele Delikte hätten als Hintergrund eine "ausländische Ideologie" mit einer Vielzahl an wechselseitigen Straftaten von russischen und ukrainischen Unterstützern, hieß es. Insgesamt wurden 396 Gewaltdelikte mit politischer Motivation in NRW gezählt. Im Vergleich zum Vorjahr was das ein Anstieg um 9,1 Prozent (2021: 363). 260 Gewaltdelikte konnten polizeilich aufgeklärt werden, womit die Aufklärungsquote mit 65,7 Prozent höher ist (2021: 58,4 Prozent).

Der Rechtsextremismus sei mit "seiner menschenverachtenden Ideologie die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie", sagte Reul. Daneben seien Desinformationskampagnen, Spionage und Cyberangriffe auf die kritische Infrastruktur eine große Gefahr. Geheimdienste aus Russland, China, dem Iran und der Türkei seien die Hauptakteure. Bedrohungen hätten sich "multipliziert". Auch bei "Friedensdemos" zum Ukraine-Krieg schauten die Behörden genau nach den Akteuren.

Wichtige Entwicklungen im Einzelnen:

  • Rechtsextremismus: Der NRW-Verfassungsschutz gibt die Zahl der Rechtsextremisten für das Beobachtungsjahr 2022 mit 3.545 an (2021: 3.875). Als "gewaltorientiert" werden 1.900 Personen (2021: 2.000) aus dem rechtsextremen Spektrum eingestuft. Die politisch motivierte Kriminalität von rechts stieg von 3.135 Straftaten im Vorjahr auf 3.453 Straftaten im Jahr 2022 (plus 10 Prozent) an. Zudem wurden den Angaben zufolge rund 3.400 Reichsbürger gezählt.
  • Linksextremismus: Hier zählte der Verfassungsschutz 2.810 Personen in Nordrhein-Westfalen (2021: 2.670). Die politisch motivierte Kriminalität von links ist demnach um 31,7 Prozent zurückgegangen: von 1.207 Straftaten im Jahr 2021 auf 824 Straftaten in 2022. Die Gewaltdelikte sind laut Verfassungsschutz von 141 Straftaten auf 71 gesunken. Reul kritisierte ein fehlende Abgrenzung mancher Klimaaktivisten vom Linksextremismus.
  • Islamismus: 4.070 Islamisten sind es laut Verfassungsschutz aktuell in NRW (2021: 4.610). Gewaltbereit sind demnach 600 von ihnen. Die Festnahmen Anfang 2023 in Castrop-Rauxel hätten gezeigt, wie gefährlich gewaltbereite Islamisten seien, so Reul.
  • Spionage und Cyberabwehr: Neben dem Rechtsextremismus stellen laut Verfassungsschutz Spionage und Cyberangriffe eine weitere große Gefahr für die Demokratie dar. "Die Bedrohungen erreichen Nordrhein-Westfalen hybrid als Desinformation und Propaganda, in Form von Spionage, durch Cyberangriffe auf unsere Kritische Infrastruktur, durch Staatsterrorismus und durch illegale Technologiebeschaffung", hieß es. Es bestehe die Gefahr, dass Behörden unterwandert würden. Zahlen und konkrete Beispiele wurden dazu auf Nachfrage nicht genannt.

Die SPD-Innenexpertin im Landtag, Christina Kampmann, forderte eine enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern: "Wir alle müssen gegen sämtliche Feinde der Demokratie zusammenstehen und wehrhaft sein." Die Grünen-Abgeordnete Dorothea Deppermann regten mehr "Dunkelfeldstudien" und Forschungen zum Rechtsextremismus an. Der FDP-Innenpolitiker Marc Lürbke forderte mehr Personal für den Verfassungsschutz, "damit der Rechtsstaat unsere Demokratie effektiver schützen kann".

Fridays for Future weist Reuls Vorwürfe zurück

Felix Anderl, Professor für Konfliktforschung, sagte zu Reuls Kritik an der Klimabewegung: Dass an diesen Protesten auch Menschen teilnehmen, die den Kapitalismus als Verursacher der Klimakrise sehen, sei "kein Fall für den Verfassungsschutz". Dieser habe Wichtigeres zu tun. Julian Pannen, Sprecher von Fridays for Future sagte, Reul rücke die Klimabewegung in eine Szene, "in der sie nicht steht". Es sei eine "Fehlbeobachtung", dass bei Klima-Demos viele extremistische Menschen mitlaufen würden. In Lützerath sei die Lage vielmehr eskaliert, weil die Polizei nicht deeskaliert habe.

Über dieses Thema berichtet der WDR am 13.04.23 u.a. in den Hörfunknachrichten, in den aktuellen Sendungen des WDR Fernsehens und im Westblick auf WDR 5.

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