Finanzminister Marcus Optendrenk spricht bei der Plenarsitzung (07.12.2022) im Landtag NRW zur Haushaltspolitik

"Außergewöhnliche Notsituation": Landtag macht Weg für neue Schulden frei

Stand: 07.12.2022, 15:32 Uhr

Der NRW-Landtag hat eine "außergewöhnliche Notsituation" erklärt. Damit kann die schwarz-grüne Landesregierung trotz Schuldenbremse neue Schulden für Krisenhilfen aufnehmen.

Von Thomas DrescherThomas Drescher

Um die wirtschaftlichen Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine zu bewältigen, hat der nordrhein-westfälische Landtag eine "außergewöhnliche Notsituation" erklärt und damit die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse zeitweise aufgehoben. Die schwarz-grüne Landesregierung kann nun neue Kredite bis zu fünf Milliarden Euro aufnehmen. Die Oppositionsparteien SPD, FDP und AfD stimmten dagegen, die Schuldenbremse auf diese Weise auszusetzen und warfen den Regierungsparteien Tricksereien und Verfassungsbruch vor.

In einer sehr emotionalen Debatte begründete Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) die dringliche Aufnahme neuer Kredite mit der wirtschaftlichen Lage im Land. Er zeichnete ein düsteres Bild: Die Situation habe sich mit zunehmendem Tempo verschlechtert. Wegen seiner energieintensiven Stahl- und Chemieindustrie sei NRW von steigenden Strom- und Gaspreisen stärker betroffen als andere Bundesländer.

Bis zu 5 Milliarden Euro - wofür genau, bleibt offen

"Die Rezession wird nicht mehr nur erwartet, sie ist bereits angekommen" sagte Optendrenk. Deshalb solle mit den neuen Milliarden-Krediten ein Sondervermögen zur schnellen Krisenbewältigung geschaffen werden. Dies soll in einem zweiten Nachtragshaushalt für 2022 gesetzlich verankert werden.

Was genau mit dem Geld bezahlt werden soll, blieb zunächst unklar. Optendrenk sprach allgemein von Hilfen für Unternehmen und einkommensschwache Haushalte, aber auch die Tafeln und ehrenamtliche Organisationen sollen unterstützt werden. Zudem sollen die Kommunen zusätzliche Mittel für die Aufnahme von Flüchtlingen erhalten. Lücken in den Hilfsprogrammen des Bundes (Strom- und Gaspreisbremse, Härtefallfonds) sollen mit den neuen Landesmitteln geschlossen werden. Auch Steuerausfälle infolge der Rezession könnten aus dem Sondervermögen ausgeglichen werden. Die Kredite sollen innerhalb von 25 Jahren getilgt werden.

Opposition stimmt gegen Aussetzung der Schuldenbremse

Von der Opposition hagelte es Kritik gegen die Regierungspläne. SPD-Chef Thomas Kutschaty nannte das Vorgehen von CDU und Grünen "dilettantisch" und "chaotisch". Die Koalition könne in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten kein konkretes Projekt benennen, für das die neuen Schulden aufgenommen werden sollen. Mit dem eilig eingebrachten Antrag wolle die Landesregierung "Geld für schöne Koalitionsprojekte ins Trockene retten", sagte Kutschaty.

SPD und FDP werfen der Landesregierung vor, im ersten Haushaltsentwurf noch versucht zu haben, Millliarden aus dem Corona-Rettungsschirm für Hilfen in der Energiekrise umzuwidmen. Der Landesrechnungshof hatte diesen Plan als verfassungswidrig eingestuft. Daraufhin war Finanzminister Optendrenk umgeschwenkt und will jetzt doch neue Schulden aufnehmen.

"Versuch einer politischen Geldwäsche" und "rechtswidrig", so nannte der FDP-Fraktionsvorsitzende Henning Höne den ursprünglichen Plan. "Sie sind des Verfassungsbruchs überführt worden und deshalb müssen Sie jetzt umsteuern", sagte SPD-Mann Kutschaty. FDP und SPD bemängelten, die Regierung habe lange den Ernst der wirtschaftlichen Lage ignoriert und auf Hilfspakete des Bundes gewartet. Vorschläge zur Einsparung an Posten des Landeshaushalts hätten die Regierungsfraktionen nicht vorgelegt. Die neue Schuldenaufnahme sei nicht stichhaltig begründet.

Die AfD bestritt, dass neue Schulden notwendig seien und schlug vor, Kohle und Kernenerie weiter zu nutzen, um die Energiepreise zu dämpfen. Die Kommunen könnten entlastet werden, indem ausreisepflichtige Flüchtlinge ausgewiesen würden.

Über dieses Thema berichtet der WDR fortlaufend u.a. in den Hörfunknachrichten, in den aktuellen Sendungen des WDR Fernsehens und im Westblick auf WDR5.

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