Der 20. März 2023 geht den Polizisten Ralf K. und Nils W. bis heute nicht aus dem Kopf. An dem Tag waren die Beamten gemeinsam in Lübbecke auf Streife. Sie hatten gerade einen Fahrradfahrer überprüft, als ihnen ein Auto auf der anderen Straßenseite auffiel: Der Wagen des Angeklagten.
Bei der Kontrolle habe es sofort nach Marihuana gerochen, sagte Polizist Nils W. während des Prozesses. Er habe den Angeklagten aufgefordert seine Papiere zu zeigen. Plötzlich habe der Fahrer Gas gegeben, sei erst rückwärts, dann vorwärts gefahren. Einer der beiden Polizisten hing an der Fahrertür fest, der andere wurde auf die Motorhaube aufgeladen. Mit nahezu Tempo 70 flüchtete der Angeklagte und schleifte beide Polizisten mit.
Angeklagter nahm Tod der Polizisten billigend in Kauf
"Den Angeklagten trifft eine besondere Schuld", sagte die Vorsitzende Richterin Verena Willeke während der Urteilsbegründung. Polizisten wie Nils W. und Ralf K. verdienten den besonderen Schutz des Staates, so die Richterin. Deshalb sei das Urteil auch entsprechend ausgefallen.
Der wegen Körperverletzung vorbestrafte Angeklagte war zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt. Aufgrund seines Alters und einer Reifeverzögerung gilt das Jugendstrafrecht Die Gesamtstrafe beträgt viereinhalb Jahre: Für versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Brandstiftung. Denn er hatte das Auto, das eigentlich seinem Vater gehörte, nach der Tat angezündet. Das Gericht zog außerdem den Führerschein des Angeklagten ein und ordnete an, dass er frühestens in fünf Jahren einen neuen bekommen darf.
Polizisten leiden bis heute an den Folgen
"Hör auf, hör auf!" hatte einer der Polizisten immer wieder geschrien, als er in der Fahrertür eingeklemmt war und mitgerissen wurde. Der 43-Jährige erlitt Rippenbrüche, einen Kreuzbandriss und Prellungen am ganzen Körper. Trotz einer psychiatrischen Behandlung würden ihn bis heute Albträume plagen. Im Gegensatz zu seinem Kollegen ist er aber seit kurzem wieder dienstfähig.
Polizist Ralf K. leidet psychisch unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und körperlich an den Folgen komplizierter Knochenbrüche. Er geht noch immer an Krücken. Der 55-Jährige klammerte sich damals an der Motorhaube fest. Bei nahezu Tempo 70 konnte er sich nicht mehr halten, schleuderte auf die Straße und rutschte noch 25 Meter über den Asphalt. Ralf K. erhält nun vom Angeklagten Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro. Nils W. bekommt 12.500 Euro. Außerdem muss der Angeklagte beiden Polizisten sämtliche Behandlungskosten bezahlen. Auch die zukünftigen.
Quelle:
- Landgericht Bielefeld
- WDR-Reporter vor Ort