Fehlende Schulbegleitung für autistische Kinder und Jugendliche

Lokalzeit Südwestfalen 07.11.2023 Verfügbar bis 07.11.2025 WDR Von Frank Strohdiek

Keine Unterstützung für Amelie - Hochsauerlandkreis lehnt Schulbegleiterin ab

Stand: 07.11.2023, 13:11 Uhr

Für Kinder mit Beeinträchtigungen gibt es zu wenige Schulbegleiter. Wenn Eltern selbst Hilfe organisieren, kann es sein, dass Behörden Probleme machen. So wie bei Amelie aus Brilon, die Autistin ist.

Von Frank Strohdiek

Dienstag kurz nach halb neun. Auf den Mathe-Unterricht könnte Amelie gut verzichten. Gleichungen lösen ist nicht ihr Lieblingsthema. Erst recht nicht, wenn sie online unterrichtet wird.

Umso wichtiger ist es, dass die Schulbegleiterin neben ihr sitzt. Sie unterstützt, wenn die Gedanken krankheitsbedingt viel zu oft abschweifen. "Conni kann mir helfen, meine Konzentration zu halten. Besonders wenn ich vor dem Computer sitze", sagt die Schülerin. Die 15-Jährige ist Autistin.

Lehrer sieht Mehrwert durch Schulbegleitung

Das bestätigt auch ihr Online-Lehrer Mark Richter. Die Schulbegleiterinnen seien vor allem in der Zeit nach dem Unterricht wichtig, sagt er.
"Sie sind natürlich keine Lehrerinnen, aber sie sorgen dafür, dass die Kinder auch in den Fächern dranbleiben, die sie nicht so gerne machen."

Schulbegleitung war große Belastung für Amelies Mutter

Monatelang hat Amelies Mutter Manuela Marx diese Aufgaben übernommen. Sie war rund um die Uhr für ihre Tochter da. Hat das erledigt, was während des Corona-Lockdowns für kurze Zeit ganz Deutschland für seine Kinder gemacht hat, nur ohne Aussicht auf ein Ende. "Ich habe gemerkt, wie diese Betreuung an meinen Kräften gezehrt hat.", beschreibt Manuela Marx die Situation.

Kreis besteht auf "Gesamtsteuerung"

Zwischendurch gab es kurz Schulbegleiterinnen, die bei einer der Organisationen angestellt waren, mit denen der Hochsauerlandkreis (HSK) zusammenarbeitet. Doch die hörten alle schnell wieder auf.

Monika Marx vermutet, dass die Frauen die Aufgabe unterschätzten oder bei Stundenlöhnen knapp über dem Mindestlohn lukrativere Arbeit fanden. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten sucht sie auf eigene Faust nach einer Schulbegleiterin und trifft schließlich Conni.

Das Problem: Conni will nicht für eine der Organisationen arbeiten, die sonst für den HSK die Schulbegleitung übernehmen. Also bezahlt sie Gisela Marx mit eigenem Geld.

Landkreis lehnt finanzielle Unterstützung ab

Beim HSK stellt die Mutter den Antrag auf ein "persönliches Budget". Das wäre so groß wie der Topf, der für Amelies Schulbegleitung vorgesehen ist. Damit könnte Conni bezahlt werden. Besser als bei den Organisationen, da Manuela Marx keine Verwaltungskosten berechnen würde. Eine völlig übliche Vorgehensweise.

Doch der Kreis lehnt ab. Auf WDR-Nachfrage antwortet er schriftlich und bestätigt die Ablehnung. Begründet wird diese mit der "Gesamtsteuerung" der Hilfsmaßnahmen für Amelie, die in Verantwortung des Kreisjugendamtes liegen.

Der HSK sieht die Probleme nicht in der Bezahlung der Schulbegleiterinnen. Der Weg zwischen dem Wohnort des Mädchens in Brilon und dem Gymnasium in Arnsberg sei einfach zu weit, heißt es.

Ablehnung stößt auf Kritik

"Eine derartige Ablehnung ist peinlich und widerspricht gängigem Recht", sagt Stephan Lück von INVEMA aus Kreuztal. Der Verein setzt sich seit Jahrzehnten für Inklusion und Rechte von Menschen mit Beeinträchtigungen ein. Schulbegleiterinnen seien noch nie so knapp wie heute, das sei das Hauptproblem.

Über dieses Thema berichten wir auch im Hörfunk und im Fernsehen in der Lokalzeit Südwestfalen.