Mehrere Kinder in einer Kita

Studie: 100.000 Kita-Plätze fehlen in NRW

Stand: 20.10.2022, 16:24 Uhr

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hat NRW großen Nachholbedarf bei der Kinderbetreuung: Derzeit fehlten mehr als 100.000 Kita-Plätze und rund 25.000 Erzieherinnen und Erzieher.

In NRW fehlen laut einer Studie mehr als 100.000 Plätze in Kindertagesstätten. Das hat die Bertelsmann-Stiftung aus Gütersloh errechnet. Außerdem müssten weitere 25.000 Erzieherinnen und Erzieher eingestellt werden. Dadurch entstünden zusätzliche Personalkosten von 1,1 Milliarden Euro, wie die Stiftung am Donnerstag mitteilte.

Der seit 2013 in Deutschland geltende Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Unter-Drei-Jährige lasse sich also auch im Jahr 2023 nicht erfüllen. Zwar waren die Investitionen und der Ausbau an Kita-Plätzen in den vergangenen Jahren enorm, doch den wachsenden Bedarf der Eltern decken sie laut der Studie nicht.

"Das ist in doppelter Hinsicht untragbar: Die Eltern werden bei der Betreuung ihrer Kinder nicht unterstützt, während Kindern ihr Recht auf professionelle Begleitung in ihrer frühen Bildung vorenthalten wird", sagt Kathrin Bock-Famulla, Expertin für frühkindliche Bildung der Bertelsmann Stiftung.

Unterschiedliche Situation für Kinder unter und über drei Jahren

Nach den Berechnungen sind die Lücken je nach Alter der Kita-Kinder unterschiedlich groß. Bei den unter drei Jahre alten Kindern werden 30 Prozent betreut - Bedarf angemeldet haben aber die Eltern für 44 Prozent. Um die Lücke von 14 Prozentpunkten schließen zu können, müssten 72.600 neue Kitaplätze geschaffen werden.

Für die Kinder ab drei Jahren liegt die Lücke laut Studie nur bei 4 Prozentpunkten. Hier wären 29.000 zusätzliche Plätze notwendig. Bundesweit würden laut der Studie insgesamt 384.000 weitere Betreuungsplätze benötigt.

Situation in kleineren Städten etwas entspannter als in größeren

In den einzelnen Kommunen in NRW ist die Situation unterschiedlich, wie sich aus einer Abfrage des WDR in mehreren größeren und kleineren Städten ergibt. In Münster wird ein Betreuungsziel von 50 Prozent für Unter-Drei-Jährige angestrebt - das Ziel sei noch nicht in allen Stadtteilen erreicht, heißt es von der Stadt. In Köln werden gut 47 Prozent der Unter-Drei-Jährigen betreut, das Ziel sind 52 Prozent. Dieser Bedarf war bei einer Elternbefragung erhoben worden.

Duisburg strebt nur eine Quote von 32 Prozent an - dieser Wert sei von den Kitas als Bedarf angemeldet worden. Erreicht worden sind bislang 31 Prozent. Bis zum kommenden Kita-Jahr sollen 1.000 Plätze dazukommen.

Um für mehr Fachkräfte zu sorgen, sollen in Köln für das Berufskolleg Ehrenfeld mehr Schulungsräume für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern gewonnen werden. In Bonn sind derzeit 70 Stellen in städtischen Kitas nicht besetzt, in den nächsten Jahren würden weitere 350 Fachkräfte gebraucht, so die Stadt. In Detmold sind alle Stellen besetzt - das Personal baue aber Überstunden auf. Brilon meldet, dass momentan keine Fachkräfte fehlen.

"Keine Überraschung, sondern ein Alarmsignal"

Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, sagte zur Bertelsmann-Studie: Die Zahlen seien "keine Überraschung, sondern vielmehr ein weiteres Alarmsignal", sagte Hofmann. So hätten schon mehrfach Kita-Fachkräfte Alarm geschlagen, da sie das Kindeswohl kaum gewährleisten könnten. "Das darf nicht weiter mehr oder weniger achselzuckend hingenommen werden."

Neben einer Fachkräfte-Offensive braucht es aus Sicht der Kinderrechtsorganisation mehr finanzielle Mittel und bundeseinheitliche Mindeststandards bei der Qualität der Betreuung. Zudem müsse der Bau von Kitas gefördert werden. Die im Kita-Qualitätsgesetz vorgesehenen zwei Milliarden Euro für die nächsten beiden Jahre seien hier ein guter Anfang, hieß es weiter.

Beruf des Erziehers muss attraktiver werden

Auch die Bertelsmann-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Arbeit in den Kitas attraktiver gemacht werden müsse. Vor allem was Verdienst und Aufstiegsmöglichkeiten angeht. Außerdem sorge der Personalschlüssel für Stress. Aktuell ist eine vollbeschäftigte Fachkraft im Schnitt für vier ganztagsbetreute Kinder verantwortlich. Zu viel, so die Stiftung.

Über dieses Thema berichten wir am 20.10.2022 im Hörfunk, unter anderem auf WDR 2.