Nach der Missbrauchsstudie: Bistum Münster in der Kritik

Stand: 18.11.2022, 20:00 Uhr

Missbrauchsopfer kritisieren die Bistumsleitung: Fünf Monate nach Veröffentlichung der Studie zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster seien zu wenig Konsequenzen gezogen worden.

Von Detlef Proges

"Vieles geht einfach zu schleppend. Es ist viel zu wenig passiert", beklagt Martin Schmitz aus Rhede. Der 61-Jährige ist als Kind jahrelang von einem Priester vergewaltigt worden. "Seitdem die Studie da ist, ist eigentlich Ruhe", zeigt sich Schmitz enttäuscht.

Mehrere Männer und eine Frau sitzen auf Stühlen.

Martin Schmitz zeigt sich enttäuscht

Die Missbrauchsstudie für das Bistum Münster war vor fünf Monaten veröffentlicht worden, mit erschreckenden Ergebnissen: Mindestens 196 Kleriker sollen jahrzehntelang Kindern schwere sexuelle Gewalt angetan haben. Wahrscheinlich gibt es mehrere tausend Opfer.

Bischof räumt "Schwierigkeiten" ein

Das Bistum hatte Konsequenzen angekündigt. Eine Verwaltungsgerichtsbarkeit sollte im Bistum eingerichtet werden. Damit wäre die Möglichkeit gegeben, Beschwerde gegen Entscheidungen der Bistumsverwaltung einzulegen. Doch das ist bisher nicht geschehen. Es sei bislang an Auseinandersetzungen mit einem Kirchenrechtler und an fehlenden Abstimmungen mit der deutschen Bischofskonferenz und dem Vatikan gescheitert, so Münsters Bischof Felix Genn.

Die Titelseite des Gutachtens "Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche".

Aus der Missbrauchsstudie will das Bistum Konsequenzen ziehen

Auch die sogenannte Personalkonferenz, die Entscheidungen wie die Versetzung von Priestern transparent machen soll, sowie die kirchliche Aufarbeitungskommission für die Missbrauchsfälle wurden bisher nicht umgesetzt. Tatsächlich räumt Bischof Genn im WDR-Interview "Schwierigkeiten in der Umsetzung" ein.

"Es ist schon ein Brocken, der zu tragen ist und der noch längst nicht abgearbeitet ist." Bischof Felix Genn

Hinweis an der Bischofsgruft

Ein Text in einem Bilderrahmen.

Am Eingang zur Bischofsgruft gibt es jetzt einen Hinweis

Und doch gibt es im Dom in Münster erste sichtbare Konsequenzen. Die Grabkammer der Bischöfe war nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie im Juni zunächst geschlossen worden, weil den Bischöfen Reinhard Lettmann, Heinrich Tenhumberg und Michael Keller, die hier begraben sind, schwere Vorwürfe gemacht werden. Sie sollen Missbrauchstaten vertuscht und Priester als Täter geschützt haben. Dazu gibt es jetzt einen Hinweis am Eingang zur Bischofsgruft.

Erste personelle Konsequenzen

Zudem gibt es erste personelle Konsequenzen. So wurde dem Hamburger Erzbischof Werner Thissen der Titel Ehrenkapitular am Dom in Münster entzogen. Thissen habe in seiner Zeit als Generalvikar in Münster im Umgang mit sexuellem Missbrauch schwere Fehler gemacht, begründete Bischof Genn die Entscheidung. Auch andere noch lebende Kirchenvertreter haben inzwischen Posten und Titel verloren.

Anerkennungszahlungen in Millionenhöhe

Laut Missbrauchsstudie sind dem Bistum Münster rund 640 Missbrauchsbetroffene bekannt. Etwa 30 von ihnen hätten sich nach Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens gemeldet. Einige haben bereits Geld als Anerkennung des erfahrenen Leids erhalten, insgesamt rund vier Millionen Euro. Dabei entscheidet eine unabhängige Kommission in Bonn in jedem Einzelfall über die Höhe des Betrages.

Doch auch dieses Vorgehen kritisieren Betroffene. Es sei überhaupt nicht nachvollziehbar, wer warum wieviel Geld erhalte. Auch gebe es keine Möglichkeit, gegen die Entscheidung Beschwerde einzulegen.

Über dieses Thema berichten wir am 18.11.2022 in Radio und in Fernsehen: WDR Lokalzeit Münsterland.