Ein Arzt steht im Wartezimmer gegenüber eines sitzenden Patienten (Symbolbild)

Umfrage: Gewalt in Arztpraxen nimmt in Westfalen-Lippe zu

Stand: 10.09.2024, 06:35 Uhr

Ärzte und medizinisches Fachpersonal klagen über zunehmende Übergriffe von Patienten in den niedergelassenen Arztpraxen.

Von Marco Poltronieri

Den Tag wird Anne Greiwe wohl nicht so schnell vergessen: Ein Patient stürmt in die Praxis der jungen Allgemeinmedizinerin in Rheine (Kreis Steinfurt) und beschimpft sie. Er macht sie für den Tod des Vaters, der mittlerweile verstorben ist, verantwortlich. Doch dabei bleibt es nicht. Als er die Morddrohung "Ich bring dich um" ausstößt, greifen Kolleginnen ein. Der Vorfall bleibt glücklicherweise ohne schwerwiegende Folgen.

Praxis-Personal bekommt das Meiste ab

"Der Patient war wohl in einer Trauerreaktion", versucht die Hausärztin aus Rheine-Mesum im Münsterland das Geschehene zu begreifen. Das ist eine mögliche Erklärung, aber entschuldigen lässt sich solch ein Verhalten damit natürlich nicht. Und ein Einzelfall ist es auch nicht geblieben.

"Unsere Mitarbeiterinnen, die sich um Termine und alles andere kümmern, kriegen den ersten Frust ab. Die fangen viel ab." Das kann Folgen haben, nicht alle halten das aus und geben ihren Job auf. "Drei medizinische Fachangestellte haben wir schon verloren".

Gewalt kein Einzelphänomen

Beschimpfungen, Beleidigungen, eingetretene Türen, umgeschmissene Tische - die Liste der Übergriffigkeiten und Ausbrüche von Patienten in den Arztpraxen ist lang. Oft ist es "nur" verbale Gewalt, manchmal aber auch körperliche.

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe wollte es genauer wissen und startete Ende August eine Umfrage. Ergebnis: Von rund 800 Ärzten, Ärztinnen, Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen in Westfalen-Lippe gab etwa ein Viertel an, schon mal Opfer geworden zu sein.Ein Fünftel der Ärzteschaft gibt an, Probleme zu haben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Arbeit in einer Praxis zu finden.

Patienten fehlt oft die Geduld

Über die Gründe, warum Patienten sich immer häufiger im Ton vergreifen, kann die KV nur spekulieren. Sicherlich spielt die allgemeine gesellschaftliche Verrohung eine Rolle. "Manchmal geht es den Patienten mit ihren Terminen einfach nicht schnell genug. Oder sie kriegen ihren Wunschtermin nicht sofort",, heißt es von der Ärzte-Organisation.

Um gegenzusteuern und um die Ärzte und Ärztinnen zu schützen, bietet die KV Deeskalations-Schulungen an. Anne Greiwe begegnet dem Aggressionspotential mancher Patienten auf ihre Art. Als kürzlich ein Patient ausrastete, bat sie ihn, doch einmal kurz die Praxis zu verlassen. "Jetzt gehen Sie mal kurz raus, besinnen sich, holen tief Luft und kommen dann wieder in die Praxis rein". Das habe funktioniert, so Greiwe.

Quellen:

  • Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe
  • WDR-Reporter

Umfrage in Westfalen-Lippe: Gewalt in Arztpraxen nimmt immer mehr zu

WDR Studios NRW 09.09.2024 00:39 Min. Verfügbar bis 10.09.2026 WDR Online