Dinh Tan Vo ist zu Tränen gerührt. Gerade ist Martin Krull aus Norddeutschland angereist. Martin Krull war vor 35 Jahren Kapitän des deutschen Forschungsschiffs "Sonne". Als seine Mannschaft ein kleines, überfülltes Holzboot entdeckte, gab er den Befehl zum Anhalten.
"Wir waren verzweifelt"
"Zwei große Schiffe waren schon vorbeigefahren. Ich habe mit einem Stofffetzen gewunken. Aber sie haben uns nicht gesehen. Wir waren verzweifelt: Wasser und Essen gingen aus. Wir hatten Hunger und Durst. Und dann kam dieses Schiff", erzählt Gastgeber Dinh Tan Vo. Der 64-Jährige wohnt heute in Geseke im Kreis Soest, ist als Geschäftsmann erfolgreich. In seinem Garten hat er zum Jubiläum ein großes Fest organsiert. Gut ein Drittel der damals 159 sind gekommen: aus ganz Europa. Manche leben nicht mehr, viele sind auch in die USA oder nach Kanada gezogen.
Rettung aus einem Bastkorb
Martin Krull und Dinh Tan Vo - 35 Jahre nach diesem besonderem Zusammentreffen sind beide gute Freunde. "Wir mussten unser Schiff erst einmal auf Abstand halten. Es hätten ja auch Piraten sein können", erinnert er sich an den Tag, den auch er nie vergessen wird. Vo und zwei weitere Vietnamesen hatten Angst, dass das deutsche Schiff weiterfährt, stiegen schnell in einen großen Bastkorb und paddelten damit direkt zum Kapitän.
"Er ist wie ein Vater für mich"
Alle 159 Frauen, Kinder und Männer wurden wenig später an Bord gebracht, bekamen etwas zu trinken, wenig später eine warme Mahlzeit. "Wir waren und sind so dankbar. Kapitän Martin ist wie ein Vater für mich", sagt Dinh Tan Vo.
Uyen Nguyen war damals 13: Sie sei an diesem Abend sehr aufgewühlt, berichtet sie. "Die Menschen nach 35 Jahren wieder zu sehen, die ja ein Stück meiner Vergangenheit sind, das ist etwas Besonderes. Wir haben uns alle wieder erkannt, das ist das Erstaunliche. Wir waren vier Tage und drei Nächte unterwegs, hatten kein Essen und auch kein Wasser mehr. Es war sehr kritisch. Und dann kam das deutsche Schiff und hat uns gerettet. Und das war schön - und sowas vergisst man auch nicht."
"Das werde ich nie vergessen"
Alle möchten Kapitän Krull begrüßen, ihm die Hand schütteln, die eigenen Kinder zeigen, kleine Geschenke überreichen. "Ehrlich gesagt ist mir das etwas zuviel. Ich habe das gemacht, was man in der Situation machen musste. Nicht mehr und nicht weniger", sagt der Norddeutsche. Wenn er aber nicht so gehandelt hätte, hätten die 150 Boatpeople wohl nicht überlebt. "Jo, das ist wohl so", sagt er knapp.
Viele hier sprechen von ihrem zweiten Geburtstag. Entsprechend wird bei der großen Gartenparty "Happy Birthday" angestimmt. Viele Nachbarn sind da, Freunde aus dem Dorf, die Musikkapelle der Feuerwehr. Dinh Tan Vo kämpft noch einmal mit den Tränen: "Ich werde nie vergessen, was einzelnen Menschen, aber auch was Deutschland für mich getan hat."
Über dieses Thema berichten wir auch in der WDR Lokalzeit Südwestfalen