"Es ist zu groß, um es zu fassen"- Mariette Druyff, Opfer der Amokfahrt

Stand: 04.10.2018, 12:10 Uhr

Es war der 07.04.2018, ein warmer Nachmittag. Ein Lieferwagen fährt in eine Menschengruppe, die sich in der Innenstadt von Münster einen schönen Tag machen wollten.

Eigentlich wollten Mariette Druyff und Ben Eerdmann nur eine Stippvisite in Münster machen. Sie kommen zurück aus dem Urlaub, waren ein paar Tage im Harz. Auf dem Heimweg nach Amersfoort in den Niederlanden, parken sie in der Innenstadt von Münster. Es ist der 7. April 2018, ein sonniger, schöner Tag. Die beiden besuchen die Lambertikirche am Prinzipalmarkt. Und sitzen später auf der Terrasse des Lokals Kiepenkerl.

Es ist der Tag, nach dem alles anders sein wird. Es ist der Tag der Amokfahrt des 48jährigen Jens R., einem psychisch kranken Mann aus Münster, der sein Fahrzeug in eine Gruppe von Menschen lenkt. Vier Menschen verlieren ihr Leben. Er selbst erschießt sich nach der Tat. Auch Mariette Druyff und Ben Eerdmann werden schwer verletzt. Der 56-jährige so schwer, dass er vier Monate später stirbt.

Mariette Druyff ist nach wie vor traumatisiert

Wir besuchen Mariette ein halbes Jahr nach diesem Tag bei ihr zu Hause. Sie hat eingewilligt, ein Interview zu geben, weil sie den Menschen erzählen möchte, wie sehr ihr Ben gekämpft hat, bevor er starb. 48 Mal wurde er wegen schwerer innerer Verletzungen operiert. Als Mariette erzählt, spiegelt sich in ihren Augen alles - ihr Schmerz, aber auch ihre Stärke.

Sie möchte von diesem Tag erzählen. Sie macht das für ihren Lebensgefährten Ben und auch für sich. Die 49-jährige kann immer noch nicht alleine das Haus verlassen - zu groß ihre Angst vor Menschenmengen, dass etwas passiert. Sie ist viel zu Hause, erzählt sie uns. Es ist ihr Schutzraum, den braucht sie noch. Ihre Familie, ihre Freunde und die Hilfsorganisation der Weiße Ring unterstützen sie.

Amokfahrt: Ein halbes Jahr danach

Lokalzeit Münsterland 05.10.2018 04:51 Min. Verfügbar bis 05.10.2040 WDR

Die Niederländerin will ihr Leben zurück

Mariette macht eine Therapie, aber das, was sie am 07. April 2018 erlebt hat, ist so intensiv, dass sie sich noch nicht damit auseinandersetzen kann . "Da ist ein Knoten tief in mir, und da kann ich noch nicht ran", sagt sie uns. Erst muss ihr Körper heilen, danach die Seele. Sie wird erneut operiert werden müssen, an der Hand und am Bein. Im kommenden Monat bekommt sie einen kleinen Hund, einen Rauhaardackel – Mariette spricht von ihrem Therapiehund. Dann muss sie Gassi gehen, der Hund muss schließlich vor die Tür. Es wird nicht leicht, aber sie will es schaffen: "Auf der Beerdigung meines Freundes habe ich gesagt: ich werde jetzt getragen, aber ich werde wieder stehen und ich werde wieder laufen."

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