Ohne Strom, Wasser und Heizung: Das Leid der Kinder in der Ukraine

Stand: 18.11.2022, 14:42 Uhr

Unicef-Deutschland warnt vor einem bitteren Winter in der Ukraine - vor allem für mehr als drei Millionen Kinder, die dringend humanitäre Hilfe benötigen.

Die Folgen von Russlands Krieg gegen die Ukraine werden vor allem beim Leid der Kinder deutlich. Gefahr droht ihnen nicht nur unmittelbar von Raketenangriffen, sondern auch durch Hunger und Kälte. Die Temperaturen in Kiew und Cherson liegen Freitagmittag bei -1 Grad Celsius, am Wochenende soll es noch kälter werden, in Lwiw werden Tiefstwerte um -7 Grad erwartet.

"Die Not der Kinder ist überall zu greifen", sagte Christian Schneider, Chef von Unicef-Deutschland, nach einer Reise durch die Ukraine am Freitag im WDR. Im Grunde sei jedes ukrainische Kind von den Folgen des Kriegs betroffen, viele hätten tiefe seelische Wunden. Für Tausende Kinder sind die Folgen nach Angaben aus Kiew noch dramatischer: Mindestens 11.000 Kinder sollen aus der Ukraine nach Russland verschleppt worden sein. Es gibt Berichte, dass ukrainische Kinder in Russland zur Adoption freigegeben worden sind.

Kunst auf Kriegstrümmern: Banksy bekennt sich zu Graffitis in der Ukraine

Der britische Streetart-Künstler Banksy hat in der Ukraine Graffiti-Werke hinterlassen, um seine Solidarität mit den Menschen zu zeigen. In einigen Motiven spielen Kinder eine besondere Rolle.

Banksy-Graffiti auf zerstörtem Gebäude

Ein deutlich jüngerer Judo-Kämpfer wirft seinen älteren Gegner zu Boden. Zu sehen ist dieses Kunstwerk auf der Mauer eines zerstörten Gebäudes in der Nähe von Kiew.

Ein deutlich jüngerer Judo-Kämpfer wirft seinen älteren Gegner zu Boden. Zu sehen ist dieses Kunstwerk auf der Mauer eines zerstörten Gebäudes in der Nähe von Kiew.

Schon vor einigen Tagen entdeckt: Dieses Gemälde eines Mannes, der in einer Badewanne sitzt und sich mit einer Bürste den Rücken schrubbt.

Nicht nur schwarz-weiß: Die Frau im Bademantel, die einen roten Feuerlöscher in der Hand hält und eine Gasmaske trägt - platziert neben einem Fenster, das sichtlich durch Feuer beschädigt wurde.

Ein Handstand auf Schutt und Asche macht dieses Mädchen, abgebildet auf einem Graffiti in Borodyanka.

Neben vielen anderen Graffitis verewigte sich Banksy hier. Sein Werk: Ein Militärfahrzeug, dessen Fracht ein Penis ist.

Eine Panzersperre stellt in diesem Kunstwerk eine Wippe für zwei gemalte Kinder dar.

Diese gesprühte Tänzerin präsentiert sich Passanten in Irpin. Die Region nahe Kiew wurde im Krieg ebenfalls schwer beschädigt.

"Millionen Haushalte der Winterkälte ausgeliefert"

Die verstärkten Angriffe Russlands auf das Energiesystem treffen in der Ukraine auch immer das Heizungssystem. "Dadurch können hier in den nächsten Wochen und Monaten Millionen Haushalte angesichts der sehr, sehr bitteren Winterkälte dem schutzlos ausgeliefert sein", warnte Schneider.

Ohne Strom, Wasser und Heizung wissen unzählige Familien nicht, wie sie ihre Kinder vor der Kälte schützen sollen. Viele Familien leben laut Unicef in Notunterkünften oder beschädigten Gebäuden, ohne ausreichenden Schutz vor der kalten Jahreszeit. Zudem sei die Grundversorgung mit Gesundheitsdiensten, Trinkwasser, Medikamenten und Lernmöglichkeiten vielerorts eingeschränkt.

"Viele Krankenhäuser waren selbst Ziel oder sind durch Raketenangriffe getroffen worden, Hunderte von ihnen. Das heißt, die Gesundheitsversorgung an sich ist stark in Mitleidenschaft getroffen." Christian Schneider, Geschäftsführer von Unicef Deutschland
Unicef-Besuch in der Ukraine

Christian Schneider besuchte in Charkiw einen speziell für Kinder eingerichteten Platz in der Metro-Station.

"Heating Points" für Familien in Planung

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen sei mit den Behörden in vielen Städten in der Ukraine in Kontakt, um Generatoren zu installieren, so Unicef-Deutschland Chef Schneider im WDR. Zudem denke man über sogenannte Heating Points nach, an denen sich Familien wärmen und an denen sie kochen und heißes Wasser bekommen können - auch wenn das System mal zusammenbricht.

Schneider hat sich in den vergangenen Tagen mit einem Team vor Ort einen Eindruck von der Situation gemacht. Generatoren werden demnach immer noch dringend benötigt. "Gleichzeitig müssen wir die unmittelbare Versorgung der Kinder jetzt mit Winterkleidung und warmen Decken und die gesundheitliche Versorgung sicherstellen."

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Vor Ort in Kinderkrankenhäusern und Schulen

Sein Team und er hätten unter anderem Kinderkrankenhäuser und Schulen besucht, aber auch Familien zu Hause. "Die musste innerhalb von einer halben Stunde im Kriegsgebiet ihr Zuhause verlassen und ist buchstäblich ohne alles, ohne irgendetwas hier in einer Notunterkunft angekommen."

Unicef-Besuch in der Ukraine

In Schytomyr besuchte Schneider eine Schule, die im März zerstört und mit Hilfe der Unicef wieder aufgebaut wurde.

Aktuell helfe das Kinderhilfswerk konkret in Hunderten von Schulen, zum Beispiel mit Schulmaterial. "Was Unicef im Moment über den reinen Bildungsaspekt wichtig ist, ist allerdings auch zu versuchen, über Unterstützung der Lehrer, über Fachkräfte in den Schulen, auch die die psychosoziale Seite der Lage in den Blick zu nehmen", sagt Schneider.

"Wichtig ist, wie können wir auch in den Schulen über Spielangebote, über Freizeitangebote dafür sorgen, dass die Kinder in diesem dann hoffentlich sicheren Ort Schule auch ein wenig das Grauen des Krieges ringsum vergessen können?" Christian Schneider, Geschäftsführer Unicef Deutschland

Unicef-Hilferuf: 400 Millionen Dollar benötigt

Auch in Deutschland habe es in den ersten Monaten eine unglaubliche Hilfsbereitschaft gegeben. Durch die sehr gute Finanzierhung habe man konkret in den letzten Monaten unglaublich viel für die Kinder leisten können. Nun allerdings habe man den Hilfeaufruf noch mal ausgeweitet: "Unicef braucht in den Wochen bis zum Jahresende noch etwa 400 Millionen Dollar brauchen, um tatsächlich auch die Kinder durch diesen Winter bringen zu können", sagt Schneider.

"Der Wintereinbruch macht uns große Sorgen", sagt auch Marten Mylius, Nothilfekoordinator von Care Deutschland. In Kiew werde Schnee erwartet und in den kommenden Wochen zweistellige Minusgrade. Ukrainische Familien bräuchten dringend Unterstützung, um den Winter zu überstehen.

"NRW hilft der Ukraine": Aktuell vor allem mit Medikamenten

NRW stehe zu seiner humanitären Verantwortung, so Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) Anfang der Woche. Mehr als 40.000 Kinder aus der Ukraine gingen hier zur Schule. Zudem werde das Land seine Unterstützung fortsetzen, etwa für Transporte dringend benötigter Hilfsgüter im Rahmen der Landesinitiative "NRW hilft der Ukraine". Einen Großteil dieser Hilfsgüter machten bislang Medikamente aus.

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Über dieses Thema haben wir auch im WDR 5 Morgenecho am 18.11.2022 berichtet.

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