Einen negativen Coronatest beim Einkaufen und beim Friseurbesuch vorlegen? Corona-Geimpfte und -Genesene brauchen das bald nicht mehr, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder ankündigte.
Die Bundesregierung ist dabei, eine Rechtsverordnung auf den Weg zu bringen, in der der Umgang mit Geimpften und Genesenen geregelt werden soll.
Sind Geimpfte und Genesene weniger ansteckend?
Zuvor hatte Arzt und Medizinjournalist Christoph Specht bei WDR 2 gesagt, es gebe viele Informationen aus anderen Ländern, dass Geimpfte tatsächlich weniger ansteckend seien. Die Genesenen gehörten in die gleiche Gruppe, auch wenn ihre Immunantwort nicht ganz so stark sei wie die der Geimpften.
Ähnlich äußerte sich der Infektiologe Andrew Ullmann, Obmann der FDP im Gesundheitsausschuss des Bundestags, auf WDR5: "Es geht nicht darum, dass die geimpfte Person alles machen darf", so Ullmann. So sollten sie weiter eine Maske tragen und Abstand halten. Aber dass diese Menschen weiterhin einer Pflicht zum Schnelltest unterstehen, halte er für falsch.
Auch das RKI sieht ein geringeres Risiko
Auch das Robert Koch-Institut (RKI) argumentiert, dass Geimpfte und Genesene ein geringeres Risiko haben, andere Menschen anzustecken als per Antigentest negativ Getestete. Darum, so das Bundesjustizministerium, sei "überall dort, wo bereits ein negativer Antigentest für eine Erleichterung im Hinblick auf oder eine Ausnahme von Schutzmaßnahmen als ausreichend erachtet wird, die Erleichterung oder die Ausnahme auch für Geimpfte und Genesene vorzusehen."
Solidarität mit den Jüngeren
Ein Blick in Länder mit einer höheren Impfquote wie Israel oder Großbritannien zeige, dass die Übertragungswahrscheinlichkeit nach der Impfung "stark nach unten geht", sagte der Berliner Virologe Timo Ulrichs dem WDR. Dass es beispielsweise in Altenheimen trotz Impfungen immer wieder Corona-Ausbrüche gibt, erklärt der Wissenschaftler mit dem Alter der Patienten und deren geschwächtem Immunsystem.
Das Risiko, schwer zu erkranken, sei für diese Menschen jedoch gering. Wegen des Restrisikos empfiehlt das RKI denn auch, Maßnahmen wie Abstand, Maske und Lüften weiter einzuhalten.
Auf ein ganz anderes Problem weist WDR-Wissenschaftsredakteurin Ruth Schulz hin: Eine Ungleichbehandlung von Getesteten und Geimpften könnte ein großes gesellschaftliches Problem werden. "Die jungen Leute haben sich so lange zurückgenommen, wenn jetzt die Biergärten oder die Urlaube nur für die älteren Geimpften, nicht aber für die jüngeren negativ Getesteten kämen, wäre das natürlich schwierig."
Warnung vor Escape-Varianten
Eine Warnung kam am Abend vor dem Impfgipfel zudem von Viola Priesemann in der Sendung "Anne Will". Priesemann erforscht am Max-Planck-Institut Göttingen die Ausbreitung von Corona. Weil die Impfung eben nicht zu 100 Prozent schütze, würden sich sogenannte Escape-Varianten bei Geimpften besonders gut ausbreiten können. Wenn die Geimpften nun nicht mehr getestet würden, nehme man die Ausbreitung dieser Varianten bewusst in Kauf.