Impfstoff-Verteilung: Der gefährliche Egoismus der reichen Staaten

Stand: 12.08.2021, 09:31 Uhr

Die Corona-Impfungen in NRW schreiten in großen Schritten voran. In ärmeren Staaten hingegen werden viele Menschen wohl erst 2023 geimpft. Das birgt auch für Deutschland Gefahren. Deshalb haben sich die USA für eine Aussetzung des Patentschutzes für Impfstoffe ausgesprochen.

Von Jörn Seidel

"In einer sich schnell entwickelnden Pandemie ist niemand sicher, es sei denn, jeder ist sicher." Unter diesem Motto (aus dem Englischen übersetzt) wirbt die Impfstoff-Initiative Covax für globale Impfgerechtigkeit. Davon würde langfristig auch Deutschland profitieren.

Neue Mutationen wahrscheinlich

Denn es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Virus ansonsten in Form von Mutationen noch mehrfach zurückkommt. Die Pandemie könnte sich somit auch in NRW fortsetzen - mit Kranken, Toten und Corona-Maßnahmen.

Schon zu Beginn der Pandemie zeichnete sich ein Verteilungskampf um Impfstoffe ab, den die ärmeren Länder in der Welt verlieren würden. Um das zu verhindern, entstand Covax (Covid-19 Vaccines Global Access). Die Idee: Covax kauft für die ganze Welt Impfstoff ein und verteilt ihn gerecht. Zahlen müssen aber nur die reicheren Länder.

Impfstoff-Initiative Covax: Bisherige Ziele verfehlt

Getragen wird die Initiative von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem Kinderhilfswerk Unicef, der Impfstoff-Initiative Cepi und der Impfallianz Gavi. Groß sind die Hoffnungen, die auf Covax liegen. Entsprechend groß ist die Enttäuschung nach dem ersten Jahr.

Denn bislang konnte Covax laut Unicef nur 54 Millionen Impfdosen in 121 Länder ausliefern (Stand: 05.05.2021). Zum Vergleich: Allein Deutschland hat schon mehr als 35 Millionen Dosen erhalten. Laut Prognosen wird sich in absehbarer Zeit an diesem Ungleichgewicht nichts ändern.

Gesamte Grafik anzeigen

Die einen haben fast nichts - die anderen zu viel

Kurzum: Die Solidarität hält sich in der Pandemie in Grenzen. Die reicheren Staaten haben den ärmeren den meisten Impfstoff einfach weggekauft. Während die einen nun so gut wie gar nichts haben, haben die anderen so viel bestellt, dass sie ihre Bevölkerung gleich mehrfach impfen könnten. Laut Unicef zum Beispiel:

  • Deutschland: mehr als zweieinhalb Mal
  • Großbritannien: mehr als drei Mal
  • Kanada: sechs Mal

Mittlerweile zeigen sich manche Länder bereit, überschüssige Dosen abzugeben. Deutschland zum ersten Mal im August 2021: 1,3 Millionen Astrazeneca-Impfdosen werden an den Sudan, Usbekistan, Äthiopien, Afghanistan und Tadschikistan geliefert.

Forderung: Patentschutz aussetzen - USA dazu bereit

Reiche Länder sollten nicht nur Impfdosen abgeben, sondern auch den Patentschutz aussetzen, so eine Forderung von Ärzte ohne Grenzen und vielen anderen Organisationen. Dann könnten nach einem gewissen Vorlauf auch ärmere Länder Impfstoffe produzieren.

Deutschland und viele andere zögern noch. Die USA unterstützen eine Aussetzung des Patentschutzes, wie die Handelsbeauftragte Katherine Tai erklärte. Das Ausmaß der Pandemie verlange "außergewöhnliche Maßnahmen".

Sollte sich die bisherige globale Impfstoff-Verteilung nicht bald entscheidend ändern, bleibt es wohl bei den Prognosen des "Economist". Demnach werden vor allem die Bevölkerungen in den asiatischen Staaten erst im Laufe des nächsten Jahres durchgeimpft sein. In den meisten afrikanischen Staaten werde es sogar erst 2023 soweit sein.