Coronatests an Schulen - Behörden schon früher informiert
Stand: 08.04.2022, 18:21 Uhr
Im Fall der umstrittenen Bürgertests an Schulen warnte das Gesundheitsamt Köln bereits im Oktober die zuständigen Behörden. Das geht aus Emails hervor, die WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung vorliegen.
Von Markus Grill, Arnd Henze und Sarah Wippermann
Im Fall von möglicherweise missbräuchlichen Coronatests an Schulen in Nordrhein-Westfalen waren die Behörden deutlich früher informiert als bisher bekannt. Wie WDR, NDR und SZ diese Woche berichtet hatten, hat die Firma Sanicum Diagnostics ihre Testcontainer auf oder vor dem Gelände mehrerer Schulen aufgebaut und dort regelmäßig Bürgertests an Schülern durchgeführt. Bürgertests werden beim Bund mit 11,50 Euro abgerechnet. Eigentlich zuständig für die Testungen an Schulen sind jedoch die Bundesländer. Sie versorgen die Schulen mit den Tests, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler drei Mal pro Woche selbst testen können. Diese Selbsttests kosten das Land NRW 1,42 Euro pro Stück. Bürgertests kosten die Steuerzahler also acht Mal so viel.
Im Fokus der Berichterstattung standen zunächst mehrere kirchliche Privatschulen im Rheinland. Das Erzbistum Köln hatte sogar einen Kooperationsvertrag mit der Firma Sanicum Diagnostics abgeschlossen.
Testcontainer auf Schulgelände
Aber auch am städtischen Gymnasium Rodenkirchen konnten Eltern ihre Kinder bei dem kommerziellen Anbieter auf dem Schulgelände registrieren. Durchgeführt wurden die Testungen während der Unterrichtszeit. Vor allem die Elternvertretung setzte sich in mehreren Schreiben an die Eltern für das Verfahren ein. Es "wäre natürlich perfekt, wenn sich so viele wie möglich - idealerweise alle - für die Anmeldung bei Sanicum Diagnostics entscheiden könnten", hieß es. Allerdings hat aber wohl nur eine Minderheit der Schülerinnen und Schüler das Angebot in Anspruch genommen.
Gesundheitsamt sah "möglichen Abrechnungsbetrug"
Nach Informationen von WDR, NDR und SZ wurde das Gesundheitsamt der Stadt Köln bereits im September 2021 durch den Vater eines Schülers über die Praxis informiert. Am 19. Oktober, so räumt das Gesundheitsamt auf Nachfrage ein, habe man daraufhin die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und das Schulamt "auf den Verdacht eines möglichen Abrechnungsbetrugs hingewiesen". In der Email an das Schulamt heißt es: "Wir bitten Sie, im Rahmen des Hausrechts in eigener Zuständigkeit tätig zu werden." Ob die Schulbehörde tatsächlich tätig wurde, konnte die Stadt bisher nicht beantworten.
Firma bestreitet Fehlverhalten
Der Anwalt der Firma Sanicum Diagnostics weist alle Vorwürfe zurück und betont, dass seine "Mandantin seit jeher ausschließlich auf Basis der geltenden Gesetzes- bzw. Verordnungslage arbeitet." Außerdem sei der Teststellen-Betreiber, wie andere Anbieter auch, "engmaschig und fortwährend überprüft" worden. Bis März 2022 fand sich als Firmenzweck bei Sanicum Diagnostics die Beschreibung, dass es um die Ermöglichung von Bürgertestungen "an Schulen" gehe. Von "Schulen" ist nun nicht mehr die Rede. Warum diese Formulierung inzwischen geändert wurde, will der Anwalt nicht beantworten, "da es sich um betriebliche Interna handelt".
Lauterbach: "Bund am Ende der Geschädigte"
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erklärte zu den Testungen an Schulen durch Testzentren, dass es jetzt darum gehe zu prüfen, ob das "mehr als Einzelfälle" seien. Denn das würde dann "die Seriösität der Testzentren und der Teststrategie insgesamt beschädigen". Er halte die Berichte über Bürgertests an Schulen für "wichtige Vorgänge, die sorgfältig geprüft werden müssen". Schließlich sei der Bund am Ende der Geschädigte, "weil wir das bezahlen".
Wer kontrolliert?
Zuständig für die Abrechnung der Bürgertests an den vielen Sanicum-Teststellen ist die KV Nordrhein. Nach dem Kölner Hinweis habe man das Gesundheitsministerium kontaktiert, "mit der Bitte um Klärung der Rechts- bzw. Sachlage und etwaiger Sanktionen auf Ebene der zuständigen Landesministerien".
Das Erzbistum Köln hat den Kooperationsvertrag mit Sanicum Diagnostics nach eigenen Angaben inzwischen aufgelöst, da die Corona-Testungen in den Schulen mit den Osterferien enden.