75.000 Haus- und Facharztpraxen stünden als zusätzliche Kräfte bereit, meldete die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Nach deren Berechnung könnten so deutschlandweit fünf Millionen Corona-Impfungen pro Woche durchgeführt werden. Anfang August wäre dann die gesamte Bevölkerung in Deutschland geimpft.
Das wäre eine echte Perspektive – denn laut Bundesregierung waren am 7. März gerade mal drei Prozent aller Menschen in Deutschland vollständig geimpft, in NRW noch weniger:
Wenn genügend Impfstoff bereitstehe, könnten die Praxen alle Impfwilligen "in kurzer Zeit durchimpfen", bestätigt auch der Hausärzteverband Nordrhein, "die Hausärzte werden so unbürokratisch wie möglich vorgehen". Die notwendigen Strukturen seien dieselben wie zur Grippeimpfung, sagt Sprecherin Monika Baaken, "da müssen wir gar nichts Neues schaffen". Und: So gut wie alle Hausarztpraxen "scharren derzeit mit den Hufen".
Bis zu 500 Patienten pro Tag in einer Praxis möglich
Auch der Hausarzt Klaus Weckbecker aus Bad Honnef wäre dabei. In einem Pilotprojekt sollte er schon im Februar 400 Senioren in seiner Praxis impfen. Das Projekt scheiterte, weil die Impfstofflieferung nicht kam. Der Arzt musste den Patienten absagen.
Seiner damaligen Planung zufolge könnten in einer Praxis 500 Menschen pro Tag geimpft werden, schätzt Weckbecker. Der Hausärzteverband Nordrhein ist da mit seiner Prognose von "bis zu 100 Patienten am Tag" etwas vorsichtiger. "Klar, 500 wären ein Kraftakt", sagt Weckbecker, "aber möglich". Personal könne er ausreichend rekrutieren: Pensionierte Ex-Mitarbeiterinnen, Studierende – "Hauptsache, der Impfstoff ist da".
Im Vergleich zur Grippe-Impfung sei die Corona-Impfung etwas aufwendiger, räumt er ein: Impfwillige müssen laut Gesetz zuvor schriftlich aufgeklärt werden, die Aufteilung einer Ampulle in sechs Einzeldosen erfordere etwas Übung, auch die Nachbeobachtung koste Zeit. "Aber das ist jetzt einfach das wichtigste Thema überhaupt", sagt Weckbecker entschlossen, dementsprechend müsste der Praxisalltag eben organisiert werden.
Warum wurden Hausärzte nicht früher beteiligt?
Dass die Hausärzte nicht schon von Beginn an beteiligt wurden, lag nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums auch daran, dass der Biontech-Impfstoff kompliziert gekühlt werden musste. "Ein Pseudoargument", ärgert sich der Arzt aus Bad Honnef: Von Anfang an sei der Wirkstoff bereits aufgetaut angeliefert worden, laut Herstellerangaben habe man ihn fünf Tage im Kühlschrank aufbewahren können.
Zudem wurde bezweifelt, dass die Praxisärzte die vorgegebene Priorisierung einhalten. "Eine Frechheit" findet Weckbecker: "Wir prioriseren ohnehin immer". Jeder Hausarzt kenne seine Patienten und wisse, wer aufgrund seines Gesundheitszustands als erstes an der Reihe sei.
Ärzte beklagen mangelnde Informationen
Hausarzt Weckbecker wartet jetzt auf weitere Informationen: "Bisher erfahren wir alles nur aus den Medien." Aus dem NRW-Gesundheitsministerium hieß es am Dienstag auf Anfrage nur: Geplant sei, "dass das im April starten soll". Planungen für ein Konzept zur Einbindung der Hausärzteschaft "laufen auf Hochtouren".
Der Hausärzteverband Nordrhein wurde in diese Planungen bislang allerdings nur gelegentlich einbezogen, lässt Sprecherin Monika Baaken durchblicken: "Für uns es nicht verständlich, warum wir immer erst so kurzfristig informiert werden." Denn die Praxen bräuchten Vorlaufzeit: "Wo findet die Impfung statt, wie sichern wir die Regelversorgung der Patienten?"
Im April mehr Impfstoff?
Noch aber fehlt es an Impfstoff: So werden in den Impfzentren Kölns derzeit täglich rund 2.600 Menschen geimpft. Möglich wären aber 5.000 pro Tag, sagt das Gesundheitsamt. Damit die Hausärzte im April mit einsteigen können, muss sich das noch deutlich ändern. Laut EU-Kommission sollen im April insgesamt 100 Millionen Dosen Impfstoff geliefert werden – doppelt so viele wie im März.