Nach einer Woche: Wie läufts mit dem Tankrabatt?

Stand: 08.06.2022, 19:52 Uhr

Nach wochenlangen Rekordpreisen für Benzin und Diesel sollte der neue Tankrabatt bei Autofahrern für Erleichterung sorgen. Statt dessen steigen die Spritpreise weiter munter an. Profitieren vor allem die Mineralölkonzerne?

Von Nina Magoley

Genau einen Tag lang war die Preiserleichterung an der Tankstelle zu spüren: Am 1. Juni, als der Tankrabatt offiziell gestartet ist. Schon am nächsten Tag aber stiegen die Spritpreise an den meisten Tankstellen wieder kräftig an, Tendenz steigend Richtung Pfingstwochenende. Eine Woche später scheint alles wieder weitgehend beim Alten: Nach Daten des Bundeskartellamts kostet der Liter - egal, ob Super, E10 oder Diesel - am Mittwoch bis zu 2,42 Euro.

Dabei sollte die von der Bundesregierung beschlossene Steuersenkung bei Kraftstoffen eine echte Entlastung bringen: Seit 1. Juni werden pro Liter Benzin 29,55 Cent weniger Energiesteuer erhoben, beim Diesel sind es 14,04 Cent. Da damit zugleich weniger Mehrwertsteuer anfällt, waren Autofahrern Entlastungen um gut 35 Cent pro Liter Super und knapp 17 Cent beim Diesel in Aussicht gestellt worden. Zu merken ist davon bislang aber offenbar wenig.

Ähnlich sieht es beim Diesel aus:

ADAC: Zeitweise Literpreise für E10 über zwei Euro

Stichproben des ADAC in Köln, Düsseldorf und Essen ergaben, dass nur einzelne Tankstellen Super E10 kurzzeitig für 1,85 Euro anboten. In Düsseldorf sei der E10-Preis praktisch nirgendwo unter 1,90 Euro gesunken. Zeitweise habe der Literpreis für E10 in allen drei Städten sogar über zwei Euro gelegen.

Der ADAC hält die Preise nach wie vor für stark überhöht: "Im Moment fördert der Steuerzahler die Gewinne der Mineralölindustrie, die die Krisensituation offenbar auf Kosten der Verbraucher zur Gewinnmaximierung nutzt", sagt Kraftstoffmarkt-Experte Christian Laberer.

Mineralölgesellschaften: Rabatt wird voll weitergegeben

Die Mineralölindustrie weist das zurück: Aral beispielsweise erklärte, man habe die Steuersenkung "vollumfänglich weitergegeben". Man habe aber keinen Einfluss auf die Preismechanismen des Marktes. Auch der Branchenverband Fuels und Energie beteuert, der Tankrabatt werde weitergegeben. Kein Cent der Steuergelder lande bei den Mineralölgesellschaften, sagt Sprecher Alexander von Gersdorff. Die vom Bund bereitgestellten 3,2 Milliarden Euro seien vielmehr dazu da, den staatlichen Verlust durch die reduzierten Steuereinnahmen zu kompensieren.

Die Preise für Benzin und Diesel, "gleichzeitig die Einkaufspreise der Tankstellen", seien auf dem Weltmarkt seit Beginn des Ukrainekriegs und nochmal verstärkt mit den Sanktionen im Mai massiv gestiegen. Dieser Prozess sei aber völlig unabhängig vom deutschen Tankrabatt. "Der Preisanstieg reduziert den Vorteil durch einen Tankrabatt fast wieder auf null", meint Gersdorff. Ohne die Steuersenkung würde der Literpreis für Super E10 bei 2,30 Euro liegen, sagt der Sprecher, "dank Tankrabatt sind wir bei durchschnittlich zwei Euro". Diesel würde demnach ohne die Energiesteuersenkung 2,13 Euro pro Liter kosten.

Harsche Kritik: "Steuergelder in die Taschen der Mineralölkonzerne"

Glauben mag das so recht keiner. Richtig sei zwar, dass die Ölpreise in der letzten Woche wieder gestiegen seien, sagt Tomaso Duso, Wettbewerbsexperte beim Wirtschaftsforschungsinstitut DIW. Das reduziere die Wirkung des Tankrabatts. Gleichzeitig aber sei der Tankrabatt von den Mineralölkonzernen und Raffinerien "wie erwartet" nicht vollständig an die Tankstellen weitergegeben worden.

Raffinerien hätten "Marktmacht", sagt Duso, eine vollständige Weitergabe des Tankrabatts entspreche nicht dem "optimalen, gewinnmaximierenden Verhalten" solcher Unternehmen. Eine Studie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München habe das kürzlich bestätigt: Demnach hatten die Mineralölkonzerne in Deutschland im Schnitt nur zwei Drittel der Mehrwertsteuersenkung weitergegeben, die wegen der Coronapandemie eingeführt worden war. "Es würde mich wundern, wenn es mit dem Tankrabatt anders sein sollte."

DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagt, der Tankrabatt bedeute "primär einen Transfer von drei Milliarden Euro an Steuergeldern von Steuerzahlern in die Taschen der Mineralölkonzerne".

Auch die Ökonomieprofessorin und Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hält die Argumentation der Mineralölkonzerne für nicht überzeugend. Der kontinuierliche Anstieg der Spritpreise sei nicht mit höheren Einkaufspreisen der Mineralölkonzerne erklärbar: Der Rohölpreis sei nicht in dem Maße angestiegen.

Steuergeld besser für Stärkung des Schienenverkehrs und ÖPNV

Eine "rasche Korrektur" des Projekts Tankrabatt fordert auch Wirtschaftsprofessorin Claudia Kemfert. Dass die Spritpreise trotzdem steigen, sei erwartbar gewesen, schreibt sie auf Twitter. "Wertvolles Steuergeld landet zu großen Teilen bei Mineralölkonzernen." Statt Tankrabatt fordert sie sogar eine "Übergewinnsteuer" für Mineralölkonzerne.

Kemfert ist der Meinung, dass man das Steuergeld für den Tankrabatt besser für die Stärkung des Schienenverkehrs samt ÖPNV verwendet hätte. Sie weist darauf hin, dass der für drei Monate angelegte Tankrabatt mit 3,2 Milliarden zu Buche schlägt, während der Bund nur 1,9 Milliarden Euro für den Ausbau der Schiene im gesamten Jahr 2022 geplant seien.

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Auch der Bund der Steuerzahler ist sauer: Die Wirksamkeit des Tankrabatts müsste dringend und schnell vom Kartellamt geprüft werden. Zumindest eine Auswertung, wie sich die Spritpreise im Verhältnis zu den Ölpreisen und zu anderen Marktindikatoren entwickelt haben, will das Kartellamt noch diese Woche vorlegen.

Keine Verpflichtung für Mineralölkonzerne

Gleichzeitig dämpfte Kartellamtspräsident Andreas Mundt zu hohe Erwartungen: "Weder das Bundeskartellamt noch eine andere Behörde in Deutschland kann Preise auf Knopfdruck senken." Hohe Preise und auch das Erwirtschaften von hohen Gewinnen seien nicht verboten. Tatsächlich seien die Mineralölkonzerne nicht verpflichtet, die Steuersenkungen voll an die Verbraucher weiterzugeben.

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