Angst vor Jobverlust: Tausende Stahlarbeiter protestieren in Duisburg
Stand: 30.04.2024, 13:18 Uhr
Sie fühlen sich provoziert und schlecht informiert: Die Gewerkschaft IG Metall hat tausende Stahlarbeiter zur Demo vor der Thyssenkrupp-Verwaltung aufgerufen. Es geht um Jobabbau und Verkaufspläne. Auch Polit-Prominenz hatte sich angekündigt.
Von Jörg Marksteiner
Auf der großen Wiese vor Tor 1 am Thyssenkrupp-Stammwerk in Duisburg demonstrierten am Dienstag tausende Stahlarbeiter. Statt einer ursprünglich geplanten internen Belegschaftsinformation im Stadion des MSV hatte die IG Metall in einem Flugblatt zur öffentlichen "großen Protest-Demo" aufgerufen. Und wählt dabei scharfe Worte: Von Angriff, Widerstand und Sturm ist die Rede.
WDR-Wirtschaftsredakteur Jörg Marksteiner war bei der Demo vor Ort - hier schildert er seine Eindrücke.
Tausende Stahlarbeiter protestieren in Duisburg | sv
00:33 Min.. Verfügbar bis 30.04.2026.
Betriebsrat und Gewerkschaft wussten nichts von Plänen
Was die 27.000 betroffenen Mitarbeiter so sauer macht, ist der überraschend am Freitag verkündete Teilverkauf der traditionsreichen Stahlsparte. Der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky soll bis Herbst erst 20 Prozent und später weitere 30 Prozent übernehmen. Verhandelt wurde schon seit Sommer, doch vom bevorstehenden Abschluss ahnten Betriebsrat und Gewerkschaft nichts.
Der Betriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol sieht das als "Skandal" und "kalkulierte Kampfansage". Traditionell wurden solche Themen bei Thyssenkrupp bislang eher einvernehmlich mit den Arbeitnehmervertretern geregelt – zumal die Gewerkschaften in dem Konzern sehr einflussreich sind.
Doch der seit Sommer 2023 amtierende Chef Miguel Lopez scheint anders vorzugehen. Nasikkol: "Wir werden von diesen Herren kein Stück mehr informiert, als das Gesetz es vorsieht."
Tausende Stellen könnten abgebaut werden
Die Arbeitnehmervertreter sind nicht grundsätzlich gegen den Einstieg eines Investors. Aber sie verlangen konkrete Konzepte, Pläne und Standortgarantien. Die Kundgebung dürfte deshalb auch als Machtdemonstration der Gewerkschaft dienen.
Schon vor zwei Wochen waren Mitarbeiter und Betriebsräte von einem angekündigten Stellenabbau überrascht worden. Weil die Anlagen nicht ausgelastet sind, will Thyssenkrupp die Stahlerzeugung und Verarbeitung um ein Fünftel verkleinern. Das könnte den Abbau einiger Tausend Stellen bedeuten, schätzen Insider.
Situation auch Thema in der Politik
Auch die Politik verfolgt die Situation bei Thyssenkrupp. Der Konzern hatte rund zwei Milliarden Euro von Land und Bund bekommen, für den Einstieg in die Produktion von grünem Stahl.
Auf der Kundgebung sind unter anderem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas aufgetreten. Die SPD-Landtagsfraktion hat gleich ihre ganze Sitzung auf die Demo verlegt.
Position der Gewerkschaft ist klar
Eigentlich sind bei Thyssenkrupp betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen noch bis März 2026 per Tarifvertrag ausgeschlossen. Für die Betriebsräte ist das auch "eine rote Linie", sagen sie – also nicht verhandelbar. Doch die Unsicherheit bleibt, angesichts der Mischung aus Teilverkauf, neuem Miteigentümer und Stellenabbau.
Zukunfts-Sorgen machen sich vor allem die 3.100 Beschäftigten des Stahlwerks HKM im Duisburger Süden – einem Gemeinschaftsunternehmen von Thyssenkrupp (50 Prozent), Salzgitter (30 Prozent) und dem französischen Röhrenhersteller Vallourec (20 Prozent), der aber aussteigen möchte. Die Gewerkschaft hatte bereits Alarm geschlagen.
Unsere Quellen:
- Thyssenkrupp AG
- IG Metall
- Betriebsrat
- WDR Wirtschaftsredaktion
- Nachrichtenagenturen dpa/Reuters