Scharia-Schüler:innen: Was ist da los in Neuss?

Aktuelle Stunde 29.01.2024 03:52 Min. UT Verfügbar bis 29.01.2026 WDR Von Cengiz Ünal

Scharia-Vorfall an Schule in Neuss: Nicht der erste Fall dieser Art

Stand: 29.01.2024, 22:08 Uhr

An einer Gesamtschule in Neuss sollen Oberstufenschüler strenge Regeln gefordert haben, die der islamischen Scharia entsprechen. Es ist nicht der erste Fall dieser Art in NRW, bestätigt das Schulministerium dem WDR. Und noch immer sind viele Fragen offen.

Von Cengiz Ünal

Vier muslimische Oberstufen-Schüler sollen an der Gesamtschule Nordstadt in Neuss versucht haben, strikte Regeln entsprechend der islamischen Scharia durchzusetzen: Frauen sollten sich bedecken, im Unterricht sollte Geschlechtertrennung sein. Anfang Januar war der Fall bekannt geworden.

Die Schulleitung hat die Fälle bei der Polizei gemeldet, auch der Staatsschutz ermittelt. Allerdings sorgt der Fall bundesweit für Aufregung. Viele Eltern sollen erst aus den Medien von den Vorfällen erfahren haben.

Drei DIN-A4-Seiten umfasst der Bericht des Staatsschutzes, den der WDR einsehen konnte. Darin steht detailliert, was bei mehreren Fällen im März und Dezember des vergangenen Jahres an der betroffenen Schule passiert sein soll.

"Die Schüler erklärten während des Unterrichts, dass sie die Demokratie ablehnen, und versuchten im Rahmen einer Diskussion, Schülerinnen und Schüler und die Lehrkraft zu überzeugen, dass die Scharia durchweg nur positive Aspekte habe."

"Zwangsverschleierung von Frauen, Geschlechtertrennung im Unterricht, Befürwortung von Folter und Mord, das alles hat an unseren Schulen nichts zu suchen. In deutschen Schulen gilt das Grundgesetz und nicht die Scharia!" Thomas Kaumanns, Jugendpolitischer Sprecher der CDU Neuss
Thomas Kaumanns, Jugendpolitischer Sprecher der CDU Neuss

Thomas Kaumanns, CDU Neuss

Schon ähnliche Vorfälle in NRW

Es ist nicht der erste Fall dieser Art. Im vergangenen Sommer sollen an einem Bonner Gymnasium radikale Muslime andere Mitschüler aufgefordert haben, sich frommer, islamischer zu kleiden. Auch im Unterricht sollen sie aufgefallen sein, indem sie in jedem Fach immer wieder religiöse Diskussionen führten.

Wandschmiereien und Drohmails

Die WDR-Anfrage beim Schulministerium ergibt: In den vergangenen fünf Jahren hat es fünf weitere Fälle von Bedrohung mit islamistischem Hintergrund an NRW-Schulen gegeben. Darüber hinaus seien 14 Wandschmiereien und Drohmails mit islamistischem Hintergrund gemeldet worden.

"Wenn die Gesellschaft insgesamt unruhiger, aggressiver wird, spiegelt sich das immer in Schule wieder, das spüren wir an allen Ecken, das hat nicht nur was mit Extremismus zu tun, sondern auch, dass Schülerinnen und Schüler unruhiger sind, das nehmen wir durchaus wahr." NRW-Schulministerin Dorothee Feller
Ein Mann mit Hoodie vor einem Bücherregel

Religionspädagoge Umut Ali Öksüz

Umut Ali Öksüz ist islamischer Religionspädagoge, arbeitet unter anderem mit muslimischen Jugendlichen von der Gesamtschule Nordstadt Neuss. Er weiß, was junge Menschen an totalitären Ideologien fasziniert. "Man sucht ja nach seiner Identität, man wird ja oft hinterfragt: Bist du deutsch oder nicht deutsch? Radikale Gruppen hinterfragen nicht, woher du kommst. Du bist sofort Bruder oder Schwester, bist sofort in den Kreisen. Damit erhalten Jugendliche Anerkennung und sind sofort Teil der Community."

Was könnte eine Lösung sein? Mehr Schulpsychologen, mehr islamische Religionslehrer, um muslimische Jugendliche in ihrer Welt abzuholen und damit radikalen Tendenzen vorzubeugen, sagt der Pädagoge.

Kein Runder Tisch in Neuss

Einen Runden Tisch zu dem Thema wird es in Neuss erstmal nicht geben. Die Stadt will sich bis Ende Februar ein genaueres Bild von den Vorfällen machen, das sie bisher offenbar noch nicht hat.

Quellen:

  • Staatsschutz NRW
  • NRW-Schulministerium
  • CDU Neuss
  • WDR-Interviews

Über dieses Thema berichten wir am 29.01.2024 auch im WDR-Fernsehen, in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.