Anfang Juli waren zwei Termine angesetzt, daher sah alles danach aus, als könne der Prozess zügig beendet werden. Der nächste Anhörungstermin soll allerdings erst im Oktober stattfinden, wie das Gericht bestätigte. Weitere Termine gebe es darüber hinaus noch nicht.
Prozessstart bereits verschoben
Schon der Prozessstart war verschoben worden, nachdem einer der Angeklagten ein ärztliches Attest für den Zeitraum vorgelegt hatte. Er ist einer von sieben Angeklagten, die sich vor Gericht verantworten müssen.
Sie sollen im November 2020 in Emmerich über 6,4 Millionen Euro erbeutet haben. Laut deutscher Staatsanwaltschaft, sei die Tat in Polen vorbereitet worden - daher findet der Prozess im Nachbarland statt. Die Angeklagten müssen nach polnischem Recht mit Strafen von bis zu 15 Jahren Haft rechnen.
Wand zum Tresor durchbrochen
In der Nacht auf den 1. November 2020 sollen drei Täter zunächst eine Kellertür auf der Rückseite des Zollamts Emmerich aufgehebelt haben. Danach hätten sie mit einem Kernbohrer ein Loch in die Wand zum Tresor gebohrt.
Ein vierter Mann habe vor dem Zollamt Schmiere gestanden. Schon damals ging die zuständige Staatsanwaltschaft Kleve davon aus, dass die Täter genau wussten, wo sie ansetzen müssen, ohne entdeckt zu werden.
Zollmitarbeiter soll Tippgeber sein
Laut einer Mitteilung der polnischen Staatsanwaltschaft Mitte April war ein Mitarbeiter des deutschen Zolls Anstifter der Tat. Nach WDR-Informationen handelt es sich um Dawid L.. Er sei für die Begutachtung und Zertifizierung von Räumen zur Aufbewahrung von Wertgegenständen zuständig gewesen.
Nach Angaben der Ermittler habe er den Mitgliedern der Gruppe Pläne vom Tresor zur Verfügung gestellt - darunter eine Dokumentation über seine Sicherheit, seinen Standort und Materialbeschaffenheit. "Dieses Wissen war notwendig, um den Einbruch zu planen und vorzubereiten", heißt es weiter in der Mitteilung.
Der polnische Journalist Marcin Rybak
Auch der polnische Journalist Marcin Rybak von der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" hat den Fall intensiv beobachtet. In einem Interview mit dem WDR erklärt er, dass der deutsche Zollmitarbeiter Dawid L. feststellte, dass im Tresor große Geldsummen lagen.
Millionen-Coup war genau geplant
Auf einem Campingplatz in den Niederlanden hatten die Täter wohl einen Stellplatz gemietet und dort auch alle Fahrzeuge und die Spezialwerkzeuge deponiert. Eigentlich wollten sie schon eine Woche vor Allerheiligen in das Zollamt einbrechen, sagt Journalist Rybak, doch ein Zollmitarbeiter hat an dem Tag länger im Zollamt gearbeitet.
Daher hatte die kriminelle Gruppe an Allerheiligen offenbar einen zweiten Versuch gestartet - und es geschafft. Sie sollen den Tatort dabei nach WDR-Informationen mit einer Chlorlösung gereinigt und anschließend mit einer Zigarette und Haaren von Unbeteiligten falsche DNA-Spuren gelegt haben. Selbst die Kennzeichen an den Autos waren gefälscht.
Täter wollten Ermittler auf falsche Fährte führen
Auch der anschließende Geldtransport nach Polen war durchdacht: "Für sie schien es, dass die Polizei nach einem Auto suchen würde, das mit der Beute flüchtet. Auch von einem Bus war von Anfang an die Rede."
Auf dem Grundstück ihres Freundes in den Niederlanden hätten sie einen Teil der Beute in zwei Busse gepackt, berichtet Rybak: "Sie luden die Busse auf Lastwagen und fuhren mit diesen Lastwagen nach Zgorzelec."
Die Täter hatten nach Marcin Rybaks Informationen wohl mit 500.000 Euro gerechnet, doch am Ende finden sie wohl ganz genau 6.449.802,49 Euro. Das Geld war zuvor bei Zollkontrollen an der deutsch-niederländischen Grenze sichergestellt worden.
Streit führte wohl auf Spur der Verdächtigen
Die polnischen Behörden nahmen im Mai 2022 vier Personen in Zgorzelec und Karpacz fest, einen Monat später drei weitere Tatverdächtige. Schwer bewaffnete Spezialeinsatzkräfte waren dafür im Einsatz. Die Polizisten fanden dabei große Mengen Bargeld, Schmuck, Drogen, Autos und auch Polizeiausrüstung.
Ob es sich bei dem Bargeld um Teile der Beute handelt, ist bis heute unklar. Generell ist über den Verbleib der über 6,4 Millionen Euro nichts bekannt. In Polen gibt es Gerüchte, die Täter hätten das Geld in einem Fass versteckt.
Der polnische Journalist Marcin Rybak erklärt, dass es wohl einen Streit um die Beute gegeben habe. Der deutsche Zollmitarbeiter Dawid L., sollte rund 1,5 Millionen Euro vom erbeuteten Geld erhalten. Doch ein Komplize, der ihm dieses Geld geben sollte, nahm sich selbst wohl eine Million Euro und gab dem Zollmitarbeiter nur rund 500.000 Euro.
Als Dawid L. dies bemerkte, vertraute er sich anderen Personen in der polnischen Unterwelt an. Dadurch erreichte die Information wohl auch die Ermittler.
Zoll-Dienststellen mittlerweile besser gesichert
Das für das Emmericher Zollamt zuständige Hauptzollamt Duisburg hat nach dem Einbruch reagiert und die Sicherheitsvorkehrungen in allen Dienststellen nach eigenen Angaben erhöht. So gebe es nun mehr Kameras, sicherere Türen und Fenster und bei kurzfristiger Lagerung von Bargeld eine zusätzliche Bewachung.
Die sieben Angeklagten werden nun in Polen beschuldigt, Teil einer kriminellen Vereinigung gewesen zu sein und den Diebstahl begangen zu haben. Einem der Angeklagten, Rafał C., wird außerdem vorgeworfen, die kriminelle Vereinigung gegründet zu haben.
Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Kleve hatten die polnischen Behörden im engen Austausch mit den deutschen ein eigenes Verfahren eröffnet.
Unklar, ob Beweise ausreichen
Ob die Beweise der Staatsanwaltschaft reichen, ist völlig offen. Der Staatsanwalt ist laut dem Journalisten Rybak allerdings dafür bekannt, akribisch Beweise zu sammeln. Es komme darauf an, wie viele Spuren die Ermittlungsbehörden sammeln konnten.