Pflastermobil Mönchengladbach - Außenansicht

Mönchengladbacher Pflastermobil: Medizinische Versorgung für Obdachlose

Stand: 08.07.2023, 15:49 Uhr

In Mönchengladbach ist seit einem halben Jahr ein so genanntes Pflastermobil unterwegs. An Bord des mobilen Krankenzimmers kümmert sich medizinisches Personal ehrenamtlich um die Versorgung von Obdachlosen.

Wohnungslose fallen oft durch das soziale Raster, weil sie nicht krankenversichert sind. An sie wendet sich das Pflastermobil. Initiiert wurde das Projekt vom Mönchengladbacher Rotary-Club und der Diakonie. Spenden haben es möglich gemacht. Der umgebaute Krankenwagen macht regelmäßig an Brennpunkten in der Stadt Station. Jeden zweiten Samstag im Monat ist das Krankenzimmer auf Rädern im Einsatz.

Diesen Samstag steht das Pflastermobil am Kapuzinerplatz in der Gladbacher City - ganz in der Nähe des Obdachlosen-Treffs. "Ärztliche Sprechstunde für Wohnungslose", steht auf einem Aufsteller, der direkt vor dem großen, cremefarbenen Kastenwagen steht. Über dem Spruch sieht man zwei aufeinander geklebte Pflaster.

Drinnen sieht das Mobil aus wie ein normales Sprechzimmer

Innenansicht des Pflastermobils

Eine kleine Treppe führt in das Innere des Mobils. Drinnen ist das Krankenzimmer auf Rädern eingerichtet wie ein ganz normaler Ärztesprechraum. Alles in Weiß gehalten - mit Krankenliege, Medikamentenschränken, Verbandsmaterial, digitalen Blutdruck- und Blutzuckermessgeräten und anderen medizinischen Instrumenten.

Mehr als 30 Ärztinnen und Ärzte und ebenso viele Pflegerinnen und Pfleger bieten den Wohnungslosen ihre ehrenamtliche medizinische Hilfe an. Am Einsatzort sind jeweils ein Mediziner und eine Krankenpflegekraft an Bord. Um die Beschaffung der nötigen Medikamente kümmert sich ein örtlicher Apotheker.

„Pflastermobil“ hat schon Leben gerettet

Dr. Valérie Stephan, leitende Ärztin des Pflastermobils

"Bislang haben wir schon fast 100 Menschen geholfen", sagt Dr. Valérie Stephan, die ärztliche Leiterin des Pflastermobils. Einige waren schon mehrfach in der mobilen Sprechstunde. Meist kommen die Obdachlosen mit chronischen Wunden, Hautentzündungen oder Infekten der oberen Atemwege. In zwei Fällen bestand sogar Lebensgefahr: „Die beiden Patienten haben wir dann direkt in die Klinik gefahren“, erzählt Ärztin Valérie Stephan.

In Mönchengladbach leben nach Schätzungen der Stadt rund 500 Menschen auf der Straße. Für viele von ihnen sei die Hürde sehr hoch, zum Arzt zu gehen, sagt Michael Klein vom Mönchengladbacher Rotary-Club. "Unser Angebot ist dagegen sehr niedrigschwellig. Wir holen die Menschen dort ab, wo sie sich sowieso aufhalten."

Streetworker nehmen Wohnungslosen die Angst vorm Doc

Wenn die Wohnungslosen trotzdem Berührungsängste haben, kommen die Streetworker der Diakonie ins Spiel. Sie kennen die meisten Obdachlosen aus ihrer täglichen Sozialarbeit. Sie nehmen den Patienten die Angst und können Brücken bauen.

Das medizinische Personal hat an diesem Vormittag alle Hände voll zu tun. Tür auf, Tür zu - in kurzen Abständen nehmen viele Obdachlose das Angebot einer ärztlichen Behandlung im mobilen Krankenzimmer dankbar an.

Die Wohnungslosen freuen sich sehr über die medizinische Hilfe: "Die Leute hier sind sehr nett und haben ein gutes Herz", erzählt Christian. Der Mann aus Buenos Aires in Argentinien lebt seit drei Jahren auf den Straßen von Mönchengladbach. Er lässt sich wegen einer Beinverletzung im Pflastermobil behandeln.

Ohne die Hilfe vom Pflastermobil könnte der Patient schon tot sein

Patient Fred mit Krücken vor dem Pflastermobil in Mönchengladbach

Auch sein Kumpel Fred ist heute wieder hier. Zum dritten Mal schon. Denn er hat sich eine schlimme Blutvergiftung im Bein zugezogen. Hätte das medizinische Personals hier im Pflastermobil ihm nicht geholfen, wäre er möglicherweise schon tot, stellt die ärztliche Leiterin Dr. Valérie Stephan fest.

Weil ihr aktuelles Mobil nur eine Leihgabe vom Malteser Hilfsdient in Willich ist, suchen die Macher des Mönchengladbacher Pflastermobils nun ein neues Fahrzeug. Die Finanzierung aus Spenden ist schon gesichert. Am besten wäre ein ausrangierter Krankenwagen. Es könnte ruhig ein älteres Modell sein, sagt Rotary-Sprecher Harald Vergossen: "Hauptsache, er fährt noch."

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Planet Wissen 16.05.2023 58:55 Min. UT Verfügbar bis 07.04.2026 SWR