Ruhrgebiet bleibt Schwerpunkt bei Clankriminalität

Stand: 05.04.2022, 09:58 Uhr

Mehr Haftbefehle, weniger Straftaten. So früh wie nie im Jahr hat NRW-Innenminister Reul das neue Lagebild zur Clankriminalität vorgestellt.

Von Benjamin Sartory

"Wir ärgern sie, wir piesacken sie", sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bei der Vorstellung des Lagebildes zur Clankriminalität. Und zündete ein Zahlenfeuerwerk.

Die Zahl der Haftbefehle habe sich in seiner Regierungszeit verdoppelt auf 49 im Jahr 2021. Die Summe des beschlagnahmten Vermögens habe sich sogar von 2020 auf 2021 mehr als verdoppelt, auf 10,2 Millionen Euro.

Clans und Wahlkampf

Bemerkenswert: So früh wie noch nie im Jahr legt Reul das jährliche Lagebild vor - und damit pünktlich vor der Landtagswahl im Mai. Die vergangenen zwei Lagebilder wurden jeweils im August vorgestellt. Es gehört nicht ganz so viel Hang zum Misstrauen dazu, in der Vorstellung der Zahlen also auch Wahlkampf zu sehen.

Auch Reuls Ministerkollege der Justiz, Peter Biesenbach (CDU), hatte in Sachen Clankriminalität in diesem Jahr schon seine Bühne. In Duisburg und Essen stellte er seine eigenen Erfolgsmeldungen vor. In beiden Städten beschäftigen sich Sonderstaatsanwälte mit kriminellen Familienclans.

Beide Minister wirken manchmal so, als wenn sie sich in einer Art Wettrennen um die beste Kriminalitätsbekämpfung befinden.

Ruhrgebiet bleibt der Schwerpunkt

Wo bei der Clankriminalität örtlich der Schwerpunkt liegt, wurde auch bei der Vorstellung der Zahlen des Innenministeriums deutlich. Auf einer Karte ist insbesondere das Ruhrgebiet tiefrot eingefärbt. Es ist nach wie vor der Hauptaktionsraum der oft türkisch- oder arabischstämmigen Clans.

Die meisten Straftaten wurden 2021 in Essen verzeichnet, gefolgt von Recklinghausen, Gelsenkirchen, Duisburg und Bochum. Zu den Vorwürfen gehören Raub, Körperverletzung und zunehmend auch Sexualdelikte. Auch Fälschungen spielen eine Rolle, zum Beispiel von Corona-Testnachweisen.

Weniger Tumulte in Essen

Die Zahl der Straftaten im Clanbereich ist in NRW 2021 von 5.778 auf 5.462 zurückgegangen, auch die Zahl der Tatverdächtigen ist gesunken. Ob das dem Druck der Ermittler oder der Coronapandemie geschuldet ist, ist offen.

Ermittler sehen tatsächlich eine Wirkung der Maßnahmen. Die Polizei Essen zum Beispiel verzeichnet weniger Tumultlagen auf der Straße. Der Bund deutscher Kriminalbeamter lobt im Grunde die NRW-Politik gegen kriminelle Clans. Allerdings mahnt er an, dass die Kriminalpolizei dringend gestärkt werden müsse. Die Gewerkschaft der Polizei meint, dass es trotz erster Erfolge keinen Grund für Entwarnung gebe. "Die Macht krimineller Familienzirkel ist noch lange nicht gebrochen", sagt NRW-Vizechef Michael Maatz.

Sozialarbeiter sollen Zugang zu Clanfamilien suchen

Das Lagebild wurde im Rahmen einer Fachtagung vorgestellt. Dabei wurde auch über Präventionsansätze gesprochen. Laut dem leitenden Kriminaldirektor Jörk Unkrig arbeiten Sozialarbeiter im Rahmen des Projektes "Kurve kriegen" mit 34 Kindern und Jugendlichen aus Clanfamilien. Und entgegen aller Zweifler habe man so tatsächlich Zugang zu den Familien gefunden.

Die Eltern hätten selbst oft Sorgen, sagt Unkrig: "Tatsächlich bekamen wir, und das hatten wir damals nicht gedacht, im wahrsten Sinne des Wortes, einen Fuß in die Tür."

Landesinnenminister Reul verteidigte derweil medienwirksame Razzien und Kontrollen gegen Clans, die prägend für seine Amtszeit waren. Bei einer Aktion kürzlich an der A3 hätten die Behörden immerhin mehr als ein Dutzend Autos aus dem Verkehr gezogen, häufig wegen nicht erlaubtem Tuning. "Das Recht des Staates gilt hier, nicht das Recht der Familien und zwar egal ob in der Shishabar oder auf der Autobahn", so Reul.