Prozess zu Säure-Anschlag: Interview mit Bernhard Günther
Lokalzeit Bergisches Land. 24.01.2024. 01:47 Min.. Verfügbar bis 24.01.2026. WDR.
Säure-Anschlag-Prozess: Interview mit Opfer Bernhard Günther
Stand: 24.01.2024, 19:23 Uhr
Der Säure-Anschlag auf den Energie-Manager Bernhard Günther wirft viele Fragen auf: Wie lief das mit dem Hinweisgeber, dessen Angaben zur Ergreifung der mutmaßlichen Täter führte? Der siebte Prozesstag gab Aufschluss.
Von Wolfram Lumpe
Bernhard Günther gab zum ersten Mal in diesem Prozess am Wuppertaler Landgericht ein Interview. "Einiges wird wieder aufgewühlt. Gerade, wenn man selbst als Opfer und als Zeuge befragt wird. Da kommt natürlich sehr vieles wieder hoch, was keine angenehmen Erinnerungen sind", sagte Günther dem WDR. Diese Erinnerungen gehen zurück zum 4. März 2018. Zwei Männer bringen Günther nach dem Joggen zu Boden und überschütten ihn mit konzentrierter Schwefelsäure. Er überlebt schwerst verletzt, mit großem Glück und nach unzähligen Operationen.
Namen gegen Geld
Die Staatsanwaltschaft stellt ihre Ermittlungen nach ein paar Monaten ohne Erfolg ein. Bernhard Günther und sein damaliger Arbeitgeber "Innogy" werden daraufhin aktiv: Beide loben hohe Belohnungen für Hinweise auf die Täter aus. Viele Tippgeber melden sich. Diese zu überprüfen, das übernimmt in Günthers Auftrag ein Anwalt, ein Spezialist für sogenannte "Hinweisgeber-Systeme".
Der 49-Jährige sagt vor Gericht, er habe solche Systeme seit 2007 schon für mehrere bundesweit tätige Unternehmen eingerichtet, wenn ein Verdacht auf Wirtschaftskriminalität vorgelegen habe. Er beschrieb in seiner Aussage, dass nur einer der vielen potenziellen Informanten überprüfbar stichhaltige Angaben zu möglichen Tätern habe machen können. Mit diesem habe es dann viele Treffen gegeben, bis schließlich zwei Dinge passierten: Er nannte einen ersten Namen und kassierte dafür Geld.
Ausschalten, nicht umbringen
Um Geld sei es dem Hinweisgeber auch vor allem gegangen, so der Anwalt. Und darum, unerkannt zu bleiben - aus Angst um sein Leben. Denn die mutmaßlichen Täter stammen - wie bekannt - aus dem Rockermilieu. Und der Auftraggeber der Tat sei "ein relativ hohes Tier". Dessen Name kenne er, der Hinweisgeber, aber nicht. Von Anfang an stand im Raum, dass Günther Opfer eines Stühlerückens in den oberen Etagen der deutschen Energiewirtschaft geworden sein könnte. Ihn auszuschalten, sei das Ziel gewesen - ohne ihn aber umzubringen.
Noch kein Durchbruch
Bewiesen ist das bis heute nicht. Bernhard Günther: "Ich bin kein Jurist und kein Kriminalist. Meine subjektive Wahrnehmung ist: Es verdichtet sich dieses Bild - was ja schon seit Langem vermutet wurde - dass der Hintermann aus dem beruflichen Umfeld kommt." Der "letztliche Durchbruch" stehe aber noch aus.
Einen kühlen Kopf bewahren
Fazit: Für den Säure-Anschlag sitzt ein rechtskräftig verurteilter Täter schon eine Haftstrafe von zwölf Jahren ab. Auch dessen Name sei vom gut bezahlten Hinweisgeber gekommen. Der Wuppertaler Prozess gegen den jetzt angeklagten 36-Jährigen ist wohl auf der Zielgeraden. Er schweigt bisher. Verurteilung ungewiss.
Denn ob die Beweise gegen den Mann ausreichen, scheint noch völlig unklar. Beim Prozess sitzt Bernhard Günther ihm oft Stunden gegenüber - zumindest äußerlich völlig ruhig. "Ich kann ihnen aber sagen, dass natürlich eine Menge Gefühle sehr lebendig sind. Aber ich habe halt auch gelernt, in meinem Leben auch in anderen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, und ich glaube, das hilft mir vielleicht zumindest in solchen Momenten hier auch."
Über dieses Thema berichtet der WDR am 24.01.2024 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit Bergisches Land und im Radio auf WDR 2.