Wie geht es dem Wald?

Planet Wissen 27.02.2024 06:04 Min. UT Verfügbar bis 06.10.2025 SWR

Landschaften

Der deutsche Wald

Bis zum Mittelalter bedeckten Wälder ganz Zentraleuropa. Seither ist viel geschehen: Kahlschlag im 17. Jahrhundert, poetische Verklärung in der Romantik, Waldsterben in den 1980ern. Heute haben sich unsere Bäume wieder etwas erholt.

Von Britta Schwanenberg

Deutschland – ein einziger Wald

Überall Bäume: Wenn man sich in eine Zeitmaschine setzen und ins Jahr 2500 vor Christus reisen würde – man stünde im Wald. Wo sich heute das dicht besiedelte Deutschland erstreckt, befanden sich damals Mischwälder aus Eichen, Linden und Eschen. Nach 2500 vor Christus wurde das Klima kühler und feuchter. Dadurch bestimmten zunehmend die Buchen die Mischwälder.

Doch der Niedergang dieses naturbelassenen Waldes begann schon im 17. Jahrhundert. Schiffbauer, Bergleute und Köhler – also die Hersteller von Holzkohle – holzten ab, was der Wald hergab.

Zudem wichen riesige Waldgebiete dem Ackerbau. Und als den europäischen Städten erstmals das Bauholz ausging, wuchs in Deutschland die Idee, die Wälder bewusst zu bewirtschaften.

Luftaufnahme eines Waldes

Vom natürlichen Wald ist in Deutschland nicht viel übrig geblieben

Die Wirtschaft braucht Holz, der Wald schwindet

1713 erschien das Buch "Sylvicultura Oeconomica". Der Deutsche Hans Carl von Carlowitz formulierte darin zum ersten Mal überhaupt den Gedanken der Nachhaltigkeit. Er forderte eine kontinuierliche und beständige Nutzung des Waldes und dass für jeden Baum, der gefällt wird, ein neuer gepflanzt wird.

Anders als man vermuten könnte, handelte von Carlowitz allerdings nicht aus Naturliebe, sondern verfolgte ökonomische Interessen. Viel Erfolg hatte sein Gedanke nicht: Solange Holz der zentrale Brennstoff für alle Wirtschaftszweige war, wurde weiter gnadenlos abgeholzt. Anfang des 19. Jahrhunderts erreichte der Kahlschlag seinen Höhepunkt.

Porträt Hans Carl von Carlowitz

Hans Carl von Carlowitz prägte den Begriff der Nachhaltigkeit

Der Wald stirbt – oder doch nicht?

1984 rüttelte der Waldschadensbericht die deutsche Öffentlichkeit auf. Vor allem Tannenwälder in Süddeutschland litten unter der Umweltverschmutzung. Schwefeldioxid aus Kohlekraftwerken setzte den Bäumen zu und die Schäden drohten sich auf andere Baumarten auszuweiten.

Natürlich machte der saure Regen vor Landesgrenzen keinen Halt und andere europäische Länder kannten die gleichen Umweltprobleme. Doch nirgendwo in Europa bestimmte das Waldsterben so stark die Schlagzeilen wie in Deutschland. "Le Waldsterben" hieß es in Frankreich mit einem etwas belustigten Blick auf die typisch deutsche Angst um die Natur.

Der Alarmismus der 1980er rief schnell auch hierzulande Kritiker auf den Plan, die das Waldsterben als reines Medienphänomen ausmachten.

Ob die nach dem Waldschadensbericht eingeführten Umweltschutzmaßnahmen die schlimmsten Szenarien verhinderten oder ob der saure Regen dem deutschen Wald tatsächlich weniger zusetzte als einst befürchtet, bleibt bis heute schwer zu beurteilen.  

Abgestorbene Bäume am Fichtelberg im Erzgebirge, aufgenommen 1984

In den 1980ern befürchteten die Deutschen das große Waldsterben

Ein Drittel Deutschlands besteht aus Wald

Heute stehen in Deutschland so viele Bäume wie seit Jahrzehnten nicht. Die meisten allerdings in Reih und Glied in einem der vielen bewirtschafteten Waldstücke. Mehr als elf Millionen Hektar – ein Drittel der Fläche Deutschlands ist mit Wäldern bedeckt. Knapp die Hälfte des Waldes ist in privater Hand, der Rest gehört Bund und Kommunen.

Die Ordnungsliebe der Deutschen macht auch vor dem Wald nicht halt: Er wird regelmäßig genau vermessen. Die dritte Bundeswaldinventur ergab 2012 folgende Eckdaten: Auf einem Viertel unserer Waldfläche stehen Fichten, am zweithäufigsten finden sich Kiefern und Buchen. 77 Jahre alt ist der deutsche Baum im Durchschnitt. Inwiefern sich diese Werte inzwischen verändert haben, soll die vierte Bundeswaldinventur (2021/2022) klären.

Die Fichte – idealer Holzlieferant mit Nachteilen

Die Fichte ist der ideale Holzlieferant und deswegen in der Forstwirtschaft so beliebt. Sie wächst schnell und gerade, nach 80 Jahren ist sie erntereif und es geht ins Sägewerk.

Doch spätestens seit dem Orkan Kyrill 2007 sehen viele Experten die ausgedehnten deutschen Fichtenwälder mit Skepsis. Denn die flachwurzelnden Bäume haben sich als wenig sturmbeständig erwiesen – viele kippten beim Orkan einfach um und sorgten für einen Kahlschlag in der Landschaft.

Auch für den Klimawandel scheint die Fichte nicht gut gerüstet: In heißen Sommern zerfressen Parasiten die Bestände.

Wie genau sich der Klimawandel auf den deutschen Wald auswirken wird, bleibt schwer zu beurteilen. Doch dass er ihn verändern wird, ist sicher. Neben Dürreperioden bedroht eine Zunahme von Schädlingen wie dem Borkenkäfer die Bäume. Denn viele Insekten vermehren sich bei wärmerem Klima stärker.

Fichtenwald mit hunderten Bäumen

Die Fichte wächst schnell und ist deswegen beliebt

Ohne Wälder hätten wir ein Problem

Neben den Meeren haben die Wälder weltweit den größten Einfluss auf unser Ökosystem. Die vielen Schichten eines Waldes erfüllen wichtige Aufgaben.

Über die Wurzeln und Waldböden wird Regen gespeichert, der Wasserhaushalt wird reguliert; die Blätter und Nadeln der Bäume filtern Staub aus der Luft, und die Bäume verwandeln Kohlendioxid in Sauerstoff. Als grüne Lunge der Ballungsgebiete sind sie deshalb unersetzlich.

Das Ökosystem Wald bietet zudem eine Heimat für mehr als 1200 verschiedene Pflanzenarten und Tausende Tierarten.

Vor allem die ursprünglichen Buchenwälder sind wichtig für die Artenvielfalt. Die letzten verbliebenen urwaldähnlichen Waldbestände sind deshalb heute meist als Nationalpark geschützt.

Eine Menge Totholz modert dort zwischen alten Baumriesen, bis zur Hälfte aller Bäume ist vergreist oder tot. Sie sind ideale Eintrittspforten für hunderte Käferarten. In den Löchern wuchern Pilze, das wiederum lockt pilzfressende Insekten an. Für die Artenvielfalt ist ein toter Baum weit wichtiger als ein lebendiger.

Doch Jahrhunderte der Forstwirtschaft haben die echten Urwälder Deutschlands längst verdrängt. Nach den Phasen des Kahlschlags bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden vor allem Fichten gepflanzt.

Unsere heutige Waldlandschaft mit einem Laubbaumanteil von nur noch 43 Prozent ist das Ergebnis moderner Forstwirtschaft. Und die Artenvielfalt der Urwälder, die sich über Jahrtausende entwickelt hatte, ist nicht wieder herzustellen.  

Ein Wald mit Hutebuchen

Buchenwälder sind selten geworden

Der deutsche Holzhunger

Bis zu fünf Prozent des Deutschen Waldes sollten bis 2020 wieder ganz ohne menschlichen Eingriff in die Natur wachsen – diese Forderung hatte das Bundeskabinett 2007 verabschiedet. Doch dieses Ziel wurde verfehlt. Noch 2016 waren noch nicht einmal zwei Prozent des Waldes ursprünglich.

Und zum ersten Mal seit hundert Jahren wird inzwischen mehr Holz verbrannt als verbaut –Tendenz steigend. Die Nachfrage privater Haushalte nach Holz hat sich zwischen 1990 und 2010 verdoppelt. Es ist ein riesiger Industriezweig, der Jahresumsatz betrug 2019 allein in Deutschland rund 36 Milliarden Euro.

Zudem ist der Holzhunger der Deutschen nicht ohne Importe zu stillen. Pro Prozentpunkt stillgelegter deutscher Waldfläche verliere die hiesige Holzwirtschaft rund zwei Milliarden Euro, rechnet der Deutsche Bauernverband vor.

Holzkamin mit loderndem Feuer und gestapeltem Brennholz

Ob Kaminholz oder Spielzeug: Der Holzhunger wächst!

(Erstveröffentlichung: 2016. Letzte Aktualisierung: 07.07.2020)

Quelle: WDR