Viele Apotheken heute geschlossen - Apotheker protestieren
Stand: 14.06.2023, 07:59 Uhr
Zahlreiche Apotheken bundesweit bleiben am Mittwoch geschlossen. In Düsseldorf versammelten sich mehrere Tausend Apotheker zum Protest gegen Lieferengpässe und Honorarkürzungen, eine Kundgebung gab es unter anderem auch in Münster.
Von Peter Hild
Martina Paucksch ist sauer. Die 54-Jährige betreibt vier Apotheken in Düsseldorf, diese werden jedoch am Mittwoch zu bleiben. "Der Alltag strengt sehr an momentan, weil ich große Probleme habe, an Medikamente zu kommen, um die Versorgung sicherzustellen. Darüber hinaus muss ich schauen, wie ich Personallücken gestopft bekomme."
Seit der Corona-Zeit habe sich die Lage nochmal verschärft, so dass aktuell bei einigen Medikamenten keine Versorgung mehr sichergestellt werden könne, so Paucksch. Das liege vor allem an den Rabattverträgen der Krankenkassen mit den Herstellern, um die Medikamente so günstig wie möglich anzubieten. Es gebe immer weniger Hersteller, die wichtige Wirkstoffe produzierten, und wenn einer ausfalle, sei schnell der Engpass da.
Für Menschen, die dringend Medikamente benötigen, gibt es am Tag des Streiks einen Apotheken-Notdienst:
Seit Jahren keine Honorarerhöhungen
Was Martina Paucksch und viele ihrer Kollegen auf die Straße treibt, ist auch die fehlende Finanzierung der Apotheken. Seit 2004 habe es lediglich eine Honorarerhöhung um drei Prozent gegeben, erzählt sie. In dieser Zeit seien die Löhne ihrer Beschäftigten aber um rund 40 Prozent gestiegen. Pro verschriebenem Medikament bekommt sie aktuell ein Beratungshonorar von 8,35 Euro.
Davon müssten jedoch inzwischen noch zwei Euro als Rabatt an die Krankenkassen abgegeben werden: "So können wir aber nicht mehr wirtschaften", ärgert sich die Apothekerin. "Erst spart man an den Medikamenten, nun an den Apotheken, das wird zu mehr Schließungen führen und setzt die wohnortnahe Versorgung aufs Spiel."
Zu viel Bürokratie?
Paucksch fordert deshalb eine Erhöhung auf zwölf Euro, damit die Apotheken weiter existieren könnten. Dazu müsse Bürokratie abgebaut werden. Sie sitze inzwischen deutlich länger im Büro als sie hinter dem Verkaufstresen stehe. Mehrere Mitarbeiterinnen sind parallel mit Dokumentationen beschäftigt.
"Das ist ein Wahnsinn, was wir alles dokumentieren müssen. Aber wir brauchen unsere Arbeitskapazität eigentlich dringend woanders", sagt die 54-Jährige. Dass man von der Politik so wenig gewertschätzt werde, gerade nach der Pandemie, sei für sie extrem enttäuschend. Ohne mehr Geld sehe es für ihre Filialen in Düsseldorf im nächsten Jahr "übel aus".
Verband: Bundesregierung gefährdet Versorgung
"Nie zuvor hat eine Bundesregierung das bewährte Apothekenwesen so drastisch ignoriert und angesichts neuer Höchststände bei den Apothekenschließungen sowie zunehmenden Lieferengpässen bei Arzneimitteln eine Verschlechterung der Arzneimittelversorgung billigend in Kauf genommen“, erklärt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein.
Diese Politik gefährde die persönliche, wohnortnahe und flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bürger. Deswegen gebe es eine hohe Protestbereitschaft unter den Apothekern, so Preis. Allein zur Großkundgebung am Mittwochmittag auf dem Düsseldorfer Burgplatz erwartet der Verband rund 4.000 Apothekerinnen und Apotheker aus der Region.
Auch in vielen anderen NRW-Städten sind Protestaktionen geplant, unter anderem in Dortmund, Detmold und Münster. Die Notdienst-Apotheken sollen am Mittwoch in jedem Fall besetzt sein, um die Versorgung zu gewährleisten. Viele Apotheken wie auch Ärzte haben entsprechende Absprachen mit ihren Patienten bzw. Kunden getroffen.
Lauterbach: Kein Spielraum für höhere Honorare
Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen hat die Apotheker für ihren Protesttag kritisiert. "Wir brauchen Apotheken als Vertrauensorte, als Ansprechpartner für gesundheitliche Fragen vor Ort. Ich verstehe die Sorgen vieler Apotheker, aber Streik ist wirklich die falsche Medizin", sagte er am Dienstag im Deutschlandfunk. Dahmen machte den Apothekern wenig Hoffnung auf mehr Geld.
Und auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat den Forderungen nach höheren Honoraren eine Absage erteilt. "Ich verstehe, dass die Apotheken gerne eine Honorarerhöhung hätten, aber in Ermangelung von Steuermitteln und bei steigenden Beitragssätzen haben wir im Moment leider die Spielräume nicht dafür", so Lauterbach. Die Gesetzliche Krankenversicherung erwarte ein Defizit und es stehe eine Erhöhung der Beitragssätze bevor.
Honorarerhöhung gerechtfertigt?
Im vergangenen Jahr machte eine durchschnittliche Apotheke laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) einen Gewinn von 163.000 Euro im Jahr - 2018 waren es noch 144.000 Euro, 2020 waren es 166.000 Euro, 2021 wegen diverser Corona-Sondereffekte sogar 211.000 Euro. Diese Beträge seien aber laut ABDA nicht mit einem Bruttogehalt gleichzusetzen. Selbstständige Apothekeninhaber müssten davon nicht nur die Steuern abführen, sondern auch Investitionen in die Apotheke tätigen und ihre Altersvorsorge bestreiten.
Die Einkommen der Apotheker seien außerdem stark unterschiedlich, Inhaber von kleineren Apotheken lägen oft deutlich darunter, sagt Jürgen Wasem, Professor für Medizinmanagement an der Uni Duisburg-Essen, im WDR-Interview. Trotzdem: "Was das Einkommen angeht, ist es Jammern auf einem befriedigendem Niveau. Die Apotheker sind weit davon entfernt, unterbezahlt zu sein." Der Apotheker-Kritik an der Bürokratie würde er aber "zumindest teilweise Recht geben".