Wirtschaftslage in NRW: "Hätte viel schlimmer kommen können"
Stand: 15.03.2023, 16:15 Uhr
Die Wirtschaft in NRW stagniert in 2023. Sie wächst nicht - aber sie schrumpft auch nicht. Warum das in einer auf Wachstum getrimmten Wirtschaft trotzdem eine gute Nachricht sein soll.
Von Thomas Drescher
Berichte zur Wirtschaftslage ähneln oft dem Wetterbericht. Von "dunklen Wolken" ist da die Rede, wenn Ungemach droht. Dann wieder hellt es sich auf und der "Silberstreif am Horizont" wird gesichtet. Die Wirtschaft gleicht dabei einem Schiff, das auf hoher See den Naturgewalten ausgesetzt ist.
Was die See zuletzt in Wallung brachte, waren die Pandemie und anschließend Russlands Überfall auf die Ukraine mit der daraus folgenden Preisexplosion für Gas, Öl und Strom. "Die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen trotzt der Energiekrise", fasst Landes-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) die aktuelle Lage zusammen. Der befürchtete Einbruch sei ausgeblieben.
Nun doch keine Rezession
In Zahlen ausgedrückt heißt das: Nullwachstum. Die Wirtschaft stagniert im laufenden Jahr - aber immerhin schrumpft sie nicht. Eine solche Rezession war Ende vergangenen Jahres befürchtet worden.
Der Landtag hatte im Dezember zur Umgehung der Schuldenbremse eine "außergewöhnliche Notsituation" festgestellt und damit den Weg freigemacht für fünf Milliarden neuer Schulden, die Wirtschaft und Verbrauchern durch die Krise helfen sollten.
Nun also ist das Fehlen von Wachstum, das normalerweise Krisenstimmung hervorruft, eine gute Nachricht. Die Wirtschaft in NRW entwickele sich bislang ähnlich wie im Bund, sagte Ministerin Neubaur. Der Arbeitsmarkt sei stabil.
Preisbremsen und staatliche Hilfen
Das RWI Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung rechnet dieses Jahr mit 60.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in NRW. Im Jahresverlauf gebe es eine zusätzliche Dynamik, sagte Torsten Schmidt vom RWI. "Der starke Rückgang der Großhandelspreise für Gas dürfte dazu beigetragen haben, dass sich die Produktion in den energieintensiven Industrien zu Jahresbeginn stabilisiert hat", so Schmidt. Gemeint sind damit vor allem die chemische und die Stahlindustrie sowie die Papierhersteller. Davon gibt es in NRW viele Betriebe.
"Das Abrutschen in eine tiefe Rezession konnte auch in Nordrhein Westfalen durch eine gemeinsame Kraftanstrengung verhindert werden", sagte Matthias Mainz von der Industrie- und Handelskammer NRW und spielte damit auf die staatlichen Hilfen von Bund und Land an. Es sei noch ein langer Weg, bis sich die Unternehmen durch die Krise gekämpft hätten.
Notlage oder nicht?
Gefragt, ob denn die aktuellen Daten weiterhin die "außergewöhnliche Notlage" rechtfertigen, sagte Ministerin Neubaur, die Wirtschaftsdaten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Dezember hätten eine Rezession vorhergesagt. Das sei "Alarmstufe rot" gewesen.
Ob denn weiterhin Geld aus dem fünf Milliarden umfassenden Rettungsschirm des Landes ausgegeben werden dürfe, auch wenn keine Notlage mehr besteht?, wurde Neubaur gefragt. Ihr Antwort:"Nach meinem Kenntnisstand: Ja."
Stefan Zimkeit, Haushaltsexperte der oppositionellen SPD, kritisierte auf WDR-Anfrage, dass bis heute eine rechtssichere Begründung für die "außergewöhnliche Notsituation" fehle. Dieser widersprächen auch die aktuellen Aussagen der Wirtschaftsexperten. "Das gesamte Haushaltsverfahren bleibt höchst fragwürdig", so Zimkeit.