Bitte recht freundlich: NRW-Wahlkampf in Zeiten des Krieges

Stand: 14.05.2022, 20:29 Uhr

Der Wahlkampf ist beendet, morgen wird in NRW gewählt. Der Ukraine-Krieg dominierte alles. Andere Themen hatten es da schwer. Nur einmal drohte die Stimmung zu kippen.

Von Christian WolfChristian Wolf

Egal wie die Landtagswahl am morgigen Sonntag ausgeht, eines lässt sich schon jetzt sagen: Der zurückliegende Wahlkampf wird sicherlich nicht in die Geschichte des Landes eingehen. Zu sehr ist der Wettstreit zwischen den Parteien in den vergangenen Wochen vor sich hingeplätschert.

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Ukraine-Krieg überlagerte den Wahlkampf

Vor allem die landespolitischen Themen spielten eine untergeordnete Rolle. Grund dafür war der Ukraine-Krieg. Er stellte alles andere in den Schatten. Zwar kann die Politik in Düsseldorf nicht über Krieg und Frieden in der Ukraine entscheiden. Doch im Wahlkampf überlagerten die Kriegsfolgen trotzdem alles andere. All die landespolitischen Wahlkampfthemen und Kampagnen, die sich die Parteistrategen über Monate ausgedacht hatten, waren seit dem Kriegsbeginn Ende Februar kaum noch brauchbar.

Scholz-Plakate im ganzen Land

Das bekam auch die SPD zu spüren. Nach dem Sieg bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst wollten die Genossen mit einer Kopie der Scholz-Kampagne auch hierzulande punkten. "Mehr Gerechtigkeit" hieß es von Spitzenkandidat Thomas Kutschaty. Dahinter versteckten sich sozialdemokratische Evergreens wie "Bildung für alle" oder "bezahlbare Mieten".

Doch angesichts eines drohenden Energieboykotts aus Russland und steigenden Preisen hierzulande drangen die Sozialdemokraten damit kaum durch. Um trotzdem ein bisschen Glanz vom SPD-Kanzler abzubekommen, wurde Scholz im Endspurt überall im Land plakatiert. Nur blöd, dass zeitgleich die Zustimmungswerte des Kanzlers wegen seiner von vielen als zögerlich kritisierten Haltung im Ukraine-Konflikt sanken.

So richtig in die Enge treiben konnte die SPD die regierende CDU mit ihren Wahlkampfthemen nicht. Zeitweise schien es eher verkehrte Rollen zu geben. Da griff die CDU in bester Oppositionsmanier die SPD an, indem sie ihr unter anderem eine "Russland-Connection" vorwarf.

CDU wirbt für "Weiter so" und Wüst

Ansonsten war der CDU-Wahlkampf von einem klassischen "Weiter so" geprägt: NRW gehe es seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte vor fünf Jahren kontinuierlich besser. Diese Arbeit solle fortgesetzt werden - so die Erzählung. Stellenweise wirkte es so, als wolle die CDU nicht für das gewählt werden, was sie noch tun will - sondern für das, was sie bereits getan hat.

Vieles drehte sich aber auch darum, den eigenen Spitzenmann bekannt zu machen. Hendrik Wüst bestritt zwar den Wahlkampf als amtierender Ministerpräsident. Doch da er erst im Herbst ins Amt gekommen war, nachdem Armin Laschet aus der Staatskanzlei in den Bundestag umgezogen war, musste sich Wüst erst einen Namen machen. Statt allzu vieler Inhalte lautete daher die simple Botschaft: Das ist Hendrik Wüst.

Energie im Fokus

Der Ukraine-Krieg führte dazu, dass zuletzt vor allem das Thema Energie im Fokus stand. Für das Industrieland NRW ist es schließlich besonders wichtig, dass zuverlässig genug Energie da ist, die dann auch bezahlbar bleibt. Vorschläge dazu kamen aus allen Richtungen.

Doch oftmals wurde nur Handlungsfähigkeit simuliert. Denn wirklich entscheiden kann die Landespolitik wenig bis gar nichts. So blieb Amtsinhaber Wüst oftmals nur die Möglichkeit, Forderungen an den Bund zu stellen. Und Herausforderer Kutschaty verteidigte die Linie der Ampel-Regierung. Mal wieder verkehrte Rollen.

Grüne setzen auf Pragmatismus

In einer neuen Rolle fanden sich auch die Grünen wieder. Sie könnten nach der Wahl als "Königsmacher" gelten und maßgeblich mitentscheiden, welcher Ministerpräsident und welche Koalition künftig regiert. Inhaltlich sind sie im Wahlkampf eher durch Pragmatismus aufgefallen, anstatt mit forschen Forderungen anzuecken.

So sollen Solaranlagen auf Dächern lediglich Standard werden und keine Pflicht. Am Kohleausstieg 2030 soll zwar festgehalten werden, aber um unabhängig von Russland zu werden, wird nicht ausgeschlossen, dass so manch ein Kraftwerk bis dahin länger laufen kann.

FDP hat Mühe

Joachim Stamp, Spitzenkandidat der FDP NRW

Leiser FDP-Kandidat: Joachim Stamp

Für die FDP war der Wahlkampf eher mühsam. Vor fünf Jahren hatte sie mit Christian Lindner noch ein starkes Zugpferd. Seinem Nachfolger Joachim Stamp gelingt es hingegen nicht, Lindners große Fußstapfen auszufüllen. Bezeichnend in diesem Zusammenhang: Obwohl sich Lindner als Bundesfinanzminister längst aus NRW verabschiedet hat, holte sich die FDP den launigen Kollegen zur Abschlusskundgebung am Samstag nochmal nach Düsseldorf. Offenbar in der Hoffnung, noch etwas Stimmung auf die Bühne zu bringen.

Denn auch inhaltlich schwächelte die Kampagne der FDP. Der Slogan "Von hier aus weiter" übertünchte eigentlich nur ein müdes "Weiter so". Und mit dem Drängen auf Corona-Lockerungen, mit dem sich die Liberalen in den vergangenen Monaten von der CDU absetzten, ließ sich angesichts wegfallender Einschränkungen nicht mehr groß punkten.

AfD und Linke suchen Aufmerksamkeit

Mit diesem Problem hatte auch die AfD zu kämpfen. Sie hatte über zwei Jahre lang die größte Distanz zur gängigen Corona-Politik gesucht. Doch im Wahlkampf spielte die Pandemie keine Rolle mehr. Auch für andere klassische AfD-Themen wie Migration und Kriminalität fehlte die große Aufmerksamkeit.

Unter einem Mangel an Aufmerksamkeit hatte auch die Linkspartei zu leiden. Seit zehn Jahren ist sie nicht mehr im Landtag vertreten und so wird es immer schwieriger, die eigenen Themen öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Auch die Querelen und Skandale in der Bundespartei dürften kaum hilfreich gewesen sein.

Wirklich hitzig wurde es nur kurz

So neigt sich ein Wahlkampf dem Ende zu, der nicht wirklich für Polarisierung sorgte. Selbst das TV-Duell zwischen Wüst und Kutschaty am Donnerstag veränderte den harmonischen, mitunter einschläfernden Charakter nicht.

Nur kurzzeitig drohte die Stimmung zu kippen. Die Enthüllungen rund um die Mallorca-Reise von Umweltministerin Ursula Heinen-Esser kurz nach der Flutkatastrophe 2021 sorgten für empörte Aufregung. Mitten in der heißen Wahlkampfphase musste die CDU-Politikerin zurücktreten. Als dann noch von einer "Ausspäh-Aktion" der SPD die Rede war, drohte es endgültig schmutzig zu werden. Am Ende besannen sich alle Beteiligten aber wieder und es ging gesittet weiter.