Iran-Proteste: Deutschland will EU-Sanktionen

Stand: 03.10.2022, 16:16 Uhr

Die Bundesregierung reagiert auf die gewalttätige Unterdrückung von Protesten im Iran mit Vorschlägen für EU-Sanktionen. Zuletzt sind Sicherheitskräfte offenbar brutal gegen Demonstrierende an Unis vorgegangen.

Deutschland habe mit Frankreich, Dänemark, Italien, Spanien und Tschechien den EU-Partnern 16 konkrete Vorschläge unterbreitet, gegen welche Einzelpersonen und Organisationen in Iran Sanktionen verhängt werden sollten. So hieß es am Montag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin.

Baerbock: "Öffentlichkeit schaffen, anklagen und sanktionieren"

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf Twitter, es sei "schwer zu ertragen", dass die außenpolitischen Möglichkeiten begrenzt seien. "Aber wir können ihre Stimme verstärken, Öffentlichkeit schaffen, anklagen und sanktionieren. Und das tun wir." Das Auswärtige Amt arbeitet nach eigenen Angaben "jetzt unter Hochdruck daran, diese Vorschläge umzusetzen".

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"Vertreter des Unterdrückungsapparats" auf der Liste

Nach Informationen des "Spiegel" handelt es sich bei den Einzelpersonen auf der Sanktionsliste vor allem um "Vertreter des iranischen Unterdrückungsapparats". Auch politische Repräsentanten seien darunter, so das Nachrichtenmagazin. Demnach ist es das Ziel, dass die EU-Außenministerinnen und -minister die Sanktionen bei ihrem Treffen am 17. Oktober beschließen.

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Studierende protestieren gegen das religiöse System

Internationales Entsetzen hatte zuletzt das brutale Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Studentinnen und Studenten auf dem Gelände der Elite-Universität Scharif in Irans Hauptstadt Teheran ausgelöst.

Rund 200 Studierende hatten sich am Sonntag auf dem Gelände der renommierten Uni versammelt und mit Sprüchen wie "Frau, Leben, Freiheit" und "Studenten ziehen den Tod der Demütigung vor" gegen das religiöse System des islamischen Landes protestiert, wie die iranische Nachrichtenagentur Mehr berichtet.

"Die Wut der Menschen ist extrem groß", sagte die ehemalige ARD-Nahost-Korrespondentin Natalie Amiri am Sonntag im WDR. Bei vielen sei die Hoffnung groß, dieses Mal das Regime zu stürzen - vor allem bei den jungen Menschen im Land, die ihre Rechte und ihre Freiheit einforderten und zunehmend die Angst vor dem Regime verliere.

Uni-Campus in der Nacht abgeriegelt

Am Sonntagabend waren Sicherheitskräfte örtlichen Medienberichten zufolge dann mit Gewalt gegen die jungen Leute an der Scharif-Uni vorgegangen. Polizisten und Milizen riegelten den Campus in der Nacht zu Montag ab. Auch mehrere Professoren der Elite-Universität sollen nach Angaben des iranischen Nachrichtenportals "Emtedad" verprügelt worden sein. In den sozialen Medien war von einem Polizeiangriff und "bürgerkriegsähnlichen" Zuständen die Rede.

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Elite-Uni stellt Unterricht ein

Am Montag ist der Unterricht an der Universität Scharif bis auf weiteres eingestellt worden. Ab sofort soll er nur noch online stattfinden. Studenten zufolge ist das wegen der Internetsperren, die im Zusammenhang mit den systemkritischen Protesten verhängt wurden, derzeit kaum machbar.

Die Proteste weiteten sich am Montag währenddessen unter anderem auf die Universität in der zentraliranischen Stadt Isfahan aus, wie u.a. ARD-Journalistin Amiri twitterte.

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Erste Reaktion der iranischen Führung

Ali Khamenei bei einer Zeremonie in Teheran am 03.10.2022

Ali Khamenei äußerte sich am Montag erstmals zum Fall Amini.

Irans oberster Führer hat die jüngsten Unruhen im Land als Verschwörungsoperation der USA, Israels und der "iranischen Verräter im Ausland" dargestellt. "Eine junge Frau ist ums Leben gekommen und das war sehr bitter und bedauerlich", sagte Ali Chamenei am Montag in seiner ersten Reaktion zum Fall der gestorbenen Mahsa Amini und den anhaltenden Protesten. Es sei aber weder normal noch akzeptabel, aus diesem Grund Korane, Moscheen, Autos und Banken zu verbrennen und den Frauen die Schleier vom Kopf zu reißen.

Bereits 133 Tote bei Protesten in Iran

Das seit der Revolution von 1979 islamistisch regierte Land erlebt eine selten dagewesene Protestwelle, seit die 22-jährigen Mahsa Amini in Polizeigewahrsam starb. Amini war am 13. September in Teheran festgenommen worden, weil sie gegen die Regeln zum Tragen eines Kopftuchs verstoßen hatte. Drei Tage später starb sie in einem Krankenhaus, nachdem sie ins Koma gefallen war. Laut der in Norwegen ansässigen Organisation "Menschenrechte in Iran" sind bei den Protesten bislang 133 Menschen ums Leben gekommen.

Über dieses Thema berichtete auch die Aktuelle Stunde am 02.10.2022 im WDR Fernsehen.