Bier als wichtiges Lebensmittel im 19. Jahrhundert: Radierung, koloriert, um 1810

21. April 1873 - Bierkrawall in Frankfurt

Es ist eine Zeit des sozialen und politischen Wandels im jungen Kaiserreich. Eine Bierpreiserhöhung sorgt in diesem Klima für kriegsähnliche Zustände mitten in Frankfurt am Main.

Frankfurt am Main im Frühjahr 1873. Die Brauereien erhöhen den Bierpreis. Von vier auf viereinhalb Kreuzer pro Batzen. Bier ist im Speiseplan der Menschen ein ganz normales Lebensmittel, sagt der Historiker Ralf Roth von der Uni Frankfurt: "Es gibt viele Gerichte wie Biersuppen oder dergleichen, die man damals konsumiert hat."

Stimmung kippt bei einem Volksfest

In Frankfurt rumort es wegen der "Halsabschneider-Methoden" der Wirte. Bei einem Volksfest am 21. April ist die Stimmung gereizt. Der Bierpreis sorgt für großen Unmut. Gegen 16 Uhr schließen sich in der aufgeheizten Stimmung etwa 100 Unzufriedene zusammen und ziehen angetrunken durch die Innenstadt. Der Schlachtruf "Mir wolle Batzebier!" hallt durch die Straßen.

Tote wegen teurem Bier (am 21.04.1873)

WDR ZeitZeichen 21.04.2023 14:44 Min. Verfügbar bis 21.04.2099 WDR 5


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Zu den Alkoholisierten stoßen schnell weitere Protestierende hinzu. Immer mehr Frankfurter schließen sich an. Sie stürmen Gaststätten, zertrümmern die Einrichtung, kippen Bierkrüge und Fässer auf die Straße, werfen Fensterscheiben ein.

Protest hat auch politische Komponente

Der Ruf nach Batzenbier vermischt sich in der ganzen Stadt bald mit "Hochs" auf die Republik und mit Kampfparolen, die die Pariser Kommune von 1871 hochleben lassen. Die Stimmung wird immer aggressiver. Es kommt zu Gewalt und Plünderungen. Vieles erinnert an die Kämpfe zur Revolutionszeit 1848.

Das Militär wird gerufen

Die Brauerei Schwager soll gestürmt werden. Der Brauereichef lässt das schwere Hoftor mit Fässern verrammeln und befiehlt nun seinen Burschen hektisch, Bier zu kochen. Die ersten Versuche der Menge, das Tor aufzubrechen, scheitern, was die aufgebrachte Stimmung weiter anfacht.

Während verschiedene Aufrührer-Gruppen weiter durch die Innenstadt ziehen und dort Gaststätten demolieren, versammeln sich 3.000 bis 4.000 Menschen vor der Konstablerwache. Die Polizei ist hilflos. Das Militär wird gerufen.

Die Soldaten des 81. Infanterie-Regiments rücken im Laufschritt an. Der Historiker Ralf Roth: "Es war schon da auch eine gewisse Spannung da und man darf vermuten, dass seitens des Militärs man eben recht hart durchgreifen wollte im Falle von Unruhen. Und die haben sich dann eben deutlich gezeigt."

Innenstadt wird zum Kriegsschauplatz

Die erste Militärpatrouille muss sich zurückziehen, zwei weitere rücken zur Verstärkung an. Die Soldaten antworten auf die unentwegten Steinwürfe mit Warnschüssen. Dann wird scharf geschossen. Bis weit in die Nacht dauern die Kämpfe an. Die Frankfurter Innenstadt wird zum Kriegsschauplatz.

Nachts werden die Unruhen niedergeschlagen. Es gibt 20 Tote - darunter auch vollkommen unbeteiligte Personen. Am Tag nach dem Bierkrawall gleicht Frankfurt einer militärisch besetzten Stadt. Die Schulen und Läden bleiben geschlossen. Die Justiz verurteilt viele Beteiligte des Krawalls zu teils langen Haftstrafen. Die Bierpreiserhöhung aber wird zurückgenommen.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Martina Meißner
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 21. April 2023 an den Frankfurter Bierkrawall. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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