Iran: So funktionieren Internet-Blockaden

Stand: 21.10.2022, 15:58 Uhr

Im Iran und einigen anderen Ländern werden regelmäßig Soziale Netzwerke, aber auch bestimmte Web-Angebote oder Dienste blockiert. WDR-Digitalexperte Jörg Schieb erklärt, wie das funktioniert.

Das Internet ist ein Ort, an dem Freiheit ganz groß geschrieben wird. Das ist autokratischen Regierungen wie in Iran, China, Russland und einigen anderen Ländern ein Dorn im Auge. Sie versuchen zu zensieren und blockieren immer wieder ganze Netzwerke wie Youtube, Twitter, Facebook oder Messenger-Dienste. Im Iran sind schon seit Monaten fast alle Social Networks blockiert.

DNS: Regime streicht Domains aus dem Register

Es muss einiges an technischem Aufwand betrieben werden, um solche Blockaden hinzubekommen. Die noch einfachste Methode ist ein Eingriff in die Namensregister, das "Domain Name System". Eine Internetadresse wie youtube.com oder wdr.de wird von Computern (Servern), wann immer wir sie benutzen, blitzschnell und automatisch "aufgelöst": Die DNS-Dienste machen daraus IP-Adressen wie 149.219.209.51 (wdr.de). Nur so können Smartphones und Computer Daten austauschen.

Wer Kontrolle über die DNS-Systeme hat – und das ist in autokratischen Regimen stets der Fall – kann auch bestimmen, welche Adressen nicht erreichbar sind. Genau das wird im Iran gemacht: Dort gibt es vergleichsweise wenige Provider für die Menschen und nur vier Stellen, an denen der Iran mit dem Rest der Welt verbunden ist. Die zu kontrollieren, fällt leicht. Wer "youtube.com" eingibt oder die Youtube-App benutzt, läuft ins Leere.

Blockade von IP-Adressen

Zweiter Schritt ist das Blockieren von IP-Adressen. Damit jemand im Iran zum Beispiel nicht durch direkte Eingabe der IP-Adresse (149.219.209.51) auf das Webangebot des WDR kommt – was man machen könnte, wenn der DNS-Server nicht funktioniert – werden auch die IP-Adressen blockiert. Es entstehen "Filterlisten", auf denen alle IP-Adressen landen, die unerwünscht sind.

Das können auch die IP-Adressen von VPN-Diensten sein: Mit einem "Virtual Privat Network" (VPN) kann man normalerweise nicht nur seine Identität verschleiern und anonym surfen, sondern auch blockierte Inhalte und Apps benutzen. Einfach, indem man über einen Umweg im Ausland online geht. Aber auch dafür braucht es IP-Adressen. Sind die bekannt, lassen sie sich sperren.

Sperrliste wird immer länger

Das ist zwar ein aufwändiger Vorgang, da es viele VPN-Dienste gibt mit sehr vielen "Nodes" (Knoten) im Ausland. Aber die lassen sich ermitteln und auf die Filterlisten setzen. Und schon wird es auch schwierig bis unmöglich, solche VPN-Dienste erfolgreich zu nutzen.

Es ist allerdings ein Katz-und-Maus-Spiel: Setzt ein VPN-Dienst eine neue IP-Adresse ein, muss die erst mal von iranischen Behörden identifiziert und auf die Liste gesetzt werden, damit die Blockade/Sperre aktiv ist. Wenn aber genug Aufwand betrieben wird, gelingt auch das.

Snowflake lässt sich nur schwer blockieren

Die Erweiterung Snowflake.

Die kleine Erweiterung "Snowflake".

Genau das macht das Projekt "Snowflake" so effektiv: Hier werden ständig wechselnde IP-Adressen von Menschen im Westen genutzt, um darüber ins Netz zu gelangen. Die lassen sich unmöglich alle identifizieren und blockieren. Deshalb eignet sich Snowflake so gut, um Menschen in Ländern mit zensiertem Internet Zugang zum freien Netz zu ermöglichen.

Dass die Maßnahmen im Iran so effektiv sind, liegt auch an der straffen Hierarchie: Wenn die Regierung etwas anordnet, wird das auch umgesetzt. In Deutschland können Provider gegen eine angeordnete Netzsperre Rechtsmittel einlegen. Im Iran gibt es das nicht.

Über den Autor

Jörg Schieb, WDR-Digitalexperte.

WDR-Digitalexperte Jörg Schieb

Jörg Schieb, Jahrgang 1964, ist WDR-Digitalexperte und Autor von 130 Fachbüchern und Ratgebern. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf unseren Alltag.

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