Internet im Iran: Hilft eine Firma aus NRW bei der Abschottung?

Stand: 20.10.2022, 20:21 Uhr

Die Vorwürfe sind schwerwiegend: Eine IT-Firma aus Meerbusch soll angeblich dabei helfen, das Internet im Iran einzuschränken. Die Recherchen von Correctiv, netzpolitik.org und der taz waren auch Thema in der ARD-Sendung "Die Carolin Kebekus Show".

Die Regierung im Iran versucht seit Wochen, die anhaltenden Proteste nach dem Tod von Mahsa Amini zu stoppen - unter anderem mit massiven Internet- und Mediensperren. Die Menschen dort kämpfen für mehr Freiheit und riskieren dabei ihr Leben, denn das islamische Mullah-Regime geht äußerst brutal gegen Protestierende vor.

Dabei bekommen die Mullahs offenbar Unterstützung – und zwar aus NRW. Genauer gesagt: aus Meerbusch bei Düsseldorf. Dort sitzt nach einer gemeinsamen Recherche von Correctiv, netzpolitik.org und der taz ein Unternehmen, das offenbar enge Verbindungen nach Teheran hat und allem Anschein nach das Regime dabei unterstützt, das Internet im Iran einzuschränken.

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Womit nicht zuletzt auch das Ziel verfolgt wird, Protestierende daran zu hindern, sich auszutauschen und zu organisieren. "Viele vernetzen sich über soziale Medien, das weiß das islamische Regime und setzt genau da an", sagt taz-Redakteur Jean-Philipp Baeck, der an den Recherchen beteiligt war, dem WDR.

Die komplette Recherche von Correctiv, netzpolitik.org und der taz gibt es hier:

Internet Service Provider in Tehran

"Softqloud" heißt das Unternehmen in Meerbusch, um das es geht. Den Recherchen von Correctiv, netzpolitik.org und der taz zufolge soll es sich bei der Firma um einen Ableger des iranischen IT-Dienstleisters Arvancloud handeln. Arvancloud hilft dem Regime im Iran seit Jahren dabei, eine Art eigene Internet-Struktur aufzubauen. Damit will sich das Land laut Recherche vom "normalen" Internet abschotten. Die Regierung könnte dann beliebige Internetseiten sperren.

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Auch Thema in der ARD-Sendung "Die Carolin Kebekus Show"

Die Recherche basiert unter anderem auf Einsicht in firmeneigene Unterlagen, der Analyse von Netzwerken und Serverdaten sowie Gesprächen mit zig Experten. Das Ergebnis: In Meerbusch gibt es anscheinend ein Geflecht aus Unternehmen und Tarnfirmen, die mindestens indirekt mit dem islamistischen Regime in Teheran, den Revolutionsgarden und dem iranischen Geheimdienst verknüpft sind. US-Sanktionen müssen sie in Meerbusch nicht fürchten – vielmehr agieren sie offenbar bis heute weitgehend unbehelligt in Deutschland.

Die Recherchen von Correctiv, netzpolitik.org und der taz waren am Donnerstag auch Thema bei TV-Entertainerin Carolin Kebekus. In der vom WDR produzierten Sendung äußerte sich auch Außenministerin Annalena Baerbock zu den Recherchen. Laut Baerbock sei es "dramatisch", falls es zutreffen sollte, dass eine deutsche Firma dem iranischen Regime dabei hilft, das Internet einzuschränken. Sollte sich das bewahrheiten, werde dies für die Meerbuscher Unternehmensspitze strafrechtliche Konsequenzen haben, so Baerbock.

Internetzensur umgehen mit dem Projekt "Snowflake"

Doch was können die Menschen im Iran nun tun, die auf ein freies Internet angewiesen sind? Die positive Nachricht: Solange noch eine Verbindung zum weltweiten Internet besteht, lassen sich Zensurmaßnahmen im Netz umgehen. Dabei helfen kann das Projekt "Snowflake".

Wer hier in Deutschland die Erweiterung "Snowflake" in seinem Browser installiert (derzeit für Chrome und Firefox verfügbar), eröffnet quasi eine virtuelle Startrampe für Menschen im Iran. Diese Startrampe befindet sich - unsichtbar - auf dem eigenen Rechner. Darüber können dann Menschen im Iran (oder einem anderen Land mit blockierten Netzangeboten) ins Tor-Netzwerk einsteigen und völlig anonym im Netz surfen.

Weitere Informationen zum Thema "Snowflake" gibt es hier:

Über das Thema berichten wir am 20.10.22 u.a. in der Aktuellen Stunde.