Selbstverwaltetes Jugendzentrum wird 50

Stand: 24.03.2023, 16:08 Uhr

1973 erkämpften sich Jugendliche in Löhne ein eigenes Jugendhaus. Die Besonderheit: Als eines der ersten in Deutschland durften sie es selbst verwalten.

Von Peters Cohrs

"Wir wollen ein Haus für uns“, forderten Jugendliche in Löhne Anfang der 1970er Jahre, gingen dafür auf die Straße, verteilten Flugblätter und versuchten, Politiker dafür zu gewinnen. Die Idee hatten sie aus Amsterdam. Egon Schewe, heute 70, erinnert sich an die Begeisterung: "Die durften da alles selbst bestimmen! Da kam auch bei uns Schwung in die Kiste."

Ein Jugendzentrum in Eigenregie

Und tatsächlich: Am 24. März 1973 wurde der Traum wahr. Ein Jugendzentrum – und das auch noch selbstverwaltet. Niemand sollte den Jugendlichen reinreden. 

Zwei Männer und eine Frau stehen im Familienzentrum in Löhne.

Gründungsmitglieder von damals (v.l.): Egon Schewe, Werner Brakemann, Doris Wilkening

In einer wöchentlichen "Vollversammlung" fielen alle Entscheidungen: Welches Essen wird gekocht? Welche Konzerte werden geplant? Wer erhält wieviel Geld aus dem Etat? "Da wurde endlos diskutiert, aber dann auch entschieden“, erinnert sich die heute 68-jährige Doris Wilkening, die damals dabei war.

Viel Freiheit, viel Verantwortung

Was die Jugendlichen am Anfang überraschte: Die Stadt ließ ihnen viele Freiheiten und respektierte die Selbstverwaltung. Nur der Putzdienst musste schon nach kurzer Zeit an einen professionellen Anbieter vergeben werden."Die Selbstverwaltung", erzählt Werner Brakemann, "war unser ‚Heiliges Prinzip‘. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen."

Da habe ich die Schule geschwänzt und bin mit einem Sack voller Flugblätter losgezogen. Werner Brakemann

Genau das habe ihn für sein Leben geprägt, sagt der 67-Jährige: "Wenn man sich gemeinsam für etwas einsetzt, dann klappt das auch."

Nicht alle waren vom Zentrum begeistert

Zeitungsartikel über das selbstverwaltete Jugendzentrum in Löhne.

Zeitungsartikel von damals

Es gab aber auch Gegenwind: Politiker der örtlichen CDU fürchteten schnell, es entstehe eine "kommunistische Kaderschmiede" in der Stadt. Sie wollten das Zentrum schließen. Dass es damals auch oft politisch zuging, bestreiten die Veteranen nicht. Sie erinnern sich noch an eine Arbeitsgruppe "Marxistische Philosophie". Das habe damals zum Zeitgeist dazugehört.

Wiedersehen nach 50 Jahren

Familienzentrum Löhne

Familienzentrum Löhne

Am 24. und 25. März 2023 treffen sich die Jugendlichen von damals wieder. In Erinnerungen schwelgen, alte Fotos angucken, sich an viele Geschichten erinnern. Geprägt habe das Demokratie-Experiment sie alle, sagen die drei. "Und noch wichtiger", ergänzt Doris Wilkening, "Ich habe noch immer eine Herzensverbindung zu den Menschen von damals." 

Die Selbstverwaltung endete 1988 – mit Zustimmung der "Vollversammlung". Heute ist das Haus ein städtisches Familienzentrum mit festangestellten Sozialarbeitenden.