Die Aufregung ist ihr am Dienstagmorgen ins Gesicht geschrieben. Immer wieder schaut Gohar Ghazaryan nervös suchend umher, während eine Kollegin beruhigend auf die Altenpflegerin einspricht. Fünf Mitarbeitende der Sunderner Demenz-WG und ihr Arbeitgeber sind mit Gohar Ghazaryan zum Kreishaus in Meschede gekommen. Dorthin hat sie das Ausländeramt schriftlich vorgeladen.
Unverzichtbar und trotzdem kein Asyl?
In der Vorladung steht, dass ihr Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde und sie verpflichtet sei, Deutschland zu verlassen. Ein Schock für die 51-Jährige. "Ehrlich gesagt, in meinem Herzen habe ich große Angst“, sagt die gebürtige Armenierin leise. Vor acht Jahren kam sie nach Deutschland, in ihrer Heimat hatte sie zuletzt als Lehrerin und an einer Uni gearbeitet.
Seit sechs Jahren nun ist sie als Pflegehelferin in Altersheimen beschäftigt. Sie sei "unverzichtbar, weil sie so einen guten Zugang zu den von ihr betreuten Menschen hat“, sagen ihr Arbeitgeber und die Kolleginnen. Doch jetzt droht die Abschiebung.
Lebensunterhalt gesichert
Dabei verdienen die Pflegerin und ihr Mann genug, um selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, Sozialleistungen würden sie nicht beziehen, sagt Gohar Ghazaryan. "So jemanden kann man doch nicht abschieben – solche Menschen brauchen wir doch“, ärgert sich Peter Goller, Chef der Seniorenresidenz, in der die Armenierin arbeitet. "Dass unsere Kollegin schon seit Jahren in Angst leben muss, morgen nicht mehr hier zu sein – das geht doch gar nicht“, pflichtet ihm Sabrina Passarello bei. Man müsse ihr doch eine Brücke bauen, statt sie mit der Drohung, ausreisen zu müssen, einzuschüchtern.
Neues Einwanderungsgesetz - neue Hoffnung?
Hoffnung für Menschen wie die armenische Familie aus Sundern verspricht die Bundesregierung mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es soll vor allem dafür sorgen, dass Deutschland die Arbeitskräfte nicht ausgehen. Dafür werden Erleichterungen für hier lebende Ausländer geregelt.
Am Freitag soll das neue Gesetz im Bundestag beschlossen werden. Dirk Wiese, SPD-Bundestagsabgeordneter aus dem Hochsauerlandkreis, jenem, Kreis, in dem auch Gohar Ghazaryan lebt, hat an dem Gesetz mitgearbeitet. "Das Gesetz sieht den so genannten Spurwechsel vor", sagt Wiese. "Menschen, die qualifiziert sind, die hier schon einen Job haben, wie die Frau aus Sundern, könnten davon profitieren, um leichter eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen."
Duldung verlängert
Nach 45 Minuten am Dienstagmorgen im Ausländeramt des Hochsauerlandkreises kommt Gohar Ghazaryan zusammen mit ihrem Mann aus dem Kreishaus in Meschede. "Jetzt geht es mir besser“, sagt sie, und lächelt sogar ein wenig.
Um drei Monate wurde ihre Duldung verlängert, die direkte Abschiebung ist erstmal vom Tisch. Der Hochsauerlandkreis teilte mit, es komme ein humanitäres Aufenthaltsrecht in Betracht. Dafür müsste die armenische Familie aber noch Unterlagen beschaffen.