Smartphone-App entlastet Pflegekräfte bei Dokumentationsarbeit

Lokalzeit OWL 23.08.2024 02:38 Min. Verfügbar bis 23.08.2026 WDR Von Arndt Möller

Smartphone-App entlastet Pflegekräfte bei Dokumentationsarbeit

Stand: 23.08.2024, 17:00 Uhr

Blutdruck, Hautzustand, Trinkmenge – was Pflegekräfte bisher mühsam abtippen mussten, können sie seit Kurzem einfach einsprechen.

Durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz in sieben Pflegeeinrichtungen im Kreis Minden-Lübbecke bleibt deutlich mehr Zeit für die Patienten. Dieses Fazit zieht die Diakonie Stiftung Salem (DSS), die seit 500 Tagen mit einer neuen App arbeitet, die die Dokumentationsberichte schreibt. Die DSS war einer der ersten Pflegeträger in Deutschland, die die App genutzt hat.

"Früher hieß es immer negativ: Ich bin in die Pflege gegangen, um zu pflegen und nicht um zu dokumentieren", erinnert sich Carolin Gerstmann, Pflegefachkraft und Wohnbereichsleiterin im Haus Laurentius in Porta Westfalica. "Das hat sich geändert. Die Mitarbeiter haben wieder mehr Freude an ihrem Job und kommen mit einer ganz anderen Einstellung zur Arbeit."

App schreibt aufwendigen Dokumentationsbericht

Statt wie früher für jeden Patienten, Daten wie Blutdruck und Trinkmenge aufzuschreiben und später noch mal am Computer einzugeben, ist seit 500 Tagen nur noch ein Handy nötig. Dort spricht die Pflegekraft einfach die Informationen zum Patienten ein.

Pflegekraft hält ein Smartphone in der Hand

Pflegerin Carolin Gerstmann freut sich, dank der App mehr Zeit für die Heimbewohner zu haben.

Den aufwendigen Dokumentationsbericht schreibt dann die Künstliche Intelligenz in der Smartphone-App. Das spart laut den App-Entwicklern pro Pflegekraft und Schicht 18 Minuten ein. Diese Zeit bleibt jetzt für die echte Pflege am Patienten. Ums Stellenstreichen gehe es dabei nicht, das würden gesetzliche Personalschlüssel ohnehin verhindern.

Abomodell für Pflegeheime

Die App trägt den Namen "voize", also Stimme, und wird auch schon anderswo in OWL eingesetzt, zum Beispiel in Pflegeheimen in Rheda-Wiedenbrück oder Bad Driburg. Deutschlandweit kooperiert die App laut eigenen Angaben schon mit 200 Trägern.

Laut Geschäftsführer Marcel Schmidberger funktioniert die App wie ein Abo. Die Träger zahlen pro Pflegekraft und pro Monat 10 bis 15 Euro. Für immer mehr Pflegeheime scheint sich das zu lohnen.

Pflegekräfte regen neue Funktionen an

Anfangs allerdings musste die App erst dazulernen, medizinische Fachbegriffe, die Namen der Bewohner oder Dialekte der Mitarbeiter zu verstehen. Die Mitarbeiter der DSS haben die Entwickler der erst 2020 gestarteten App aber auch auf neue Ideen gebracht. Zum Beispiel auch die komplexen Aufnahmegespräche mit neuen Bewohnern über "voize" abzuwickeln

Geöffnete App auf dem Smartphone

In der App hat jeder Bewohner ein eigenes Profil, ein Klick startet die Sprachaufnahme oder zeigt den Mitarbeitern wichtige Daten. Das Bild zeigt eine Testversion der App.

"Bisher habe ich dafür 20 Minuten mit einem Bewohner gesprochen und dann saß ich zwei Stunden am PC und hab das abgetippt", sagt Geschäftsführer Marcel Schmidberger. "Jetzt lege ich 'voize' einfach beim Gespräch auf den Tisch, die KI hört mit und schreibt mir eine strukturierte Informationssammlung."

Probleme und Herausforderungen

Wie umfassend die Dokumentationspflichten in der Pflege sind, zeigt eine Zahl, die Schmidberger anlässlich der 500-Tage-Bilanz nennt: Eine Million Einträge hätten die Pflegekräfte der DSS in dieser Zeit erstellt. Knapp 2.000 Einträge pro Tag, für die sich die Mitarbeiter früher an den PC hätten setzen müssen.

Nach Problemen mit der App befragt, fallen Pflegekraft Carolin Gerstmann weniger technische, sondern menschliche Probleme ein: "Wenn neue, ältere Mitarbeiter anfangen, die vielleicht noch fünf Jahre bis zur Rente haben, sagen die, die brauchen das nicht mehr. Das ist eine Hürde, die zu motivieren und ins Boot zu holen."

Smartphone-App entlastet Pflegekräfte bei Dokumentationsarbeit

WDR Studios NRW 23.08.2024 00:46 Min. Verfügbar bis 23.08.2026 WDR Online


Zukunftspläne

Künftig möchten die App-Entwickler auch bei der Schichtübergabe, bei Bestellungen und in Pflegeprozessen unterstützen, aber noch ist das Zukunftsmusik. Als Beispiel nennt Schmidberger das "Notfallblatt", das die Heime bei medizinischen Notfällen Rettungskräften mitgeben müssen. Anstatt etlicher, zeitraubender Schritte am PC inmitten einer Stresssituation soll künftig ein simpler Sprachbefehl diese Aufgabe erledigen, und zwar: "Drucke Notfallblatt."

Unsere Quellen:

  • Diakonie Stiftung Salem
  • Unternehmen "voize"
  • WDR-Reporter vor Ort