Finanzierung für Betreuungsvereine in NRW in Gefahr
Lokalzeit Südwestfalen. 08.10.2024. 03:04 Min.. Verfügbar bis 08.10.2026. WDR. Von Katja Brinkhoff.
Finanzierung für Betreuungsvereine in NRW in Gefahr
Stand: 09.10.2024, 06:00 Uhr
Viele Menschen in Südwestfalen können ihren Alltag nicht alleine bewältigen und haben deshalb einen rechtlichen Betreuer. Ein Gesetz soll die Finanzierung neu regeln; es gibt große Sorgen.
Von Katja Brinkhoff
1,2 Millionen Menschen in Deutschland werden von Amts wegen betreut. Betreuungsvereine der Caritas, der Diakonie, der Lebenshilfe und der AWO stellen die gesetzlichen Betreuerinnen und Betreuer. Ein neues Gesetz soll jetzt die Finanzierung der Vereine regeln. Die Vereine fürchten um ihre Existenz.
„Ich wäre versumpft“, sagt Beate Blanke. Die 57-Jährige hat die Reißleine gezogen. Sie beantragte beim Amtsgericht Meschede eine gesetzliche Betreuung. Eine psychische Erkrankung wirft die pensionierte Beamtin immer wieder aus der Bahn: „Dann mache ich Dummheiten. Verschulde mich, kaufe Dinge, die niemand braucht.“
Vier Betreuer kümmern sich um 120 Menschen
Betreuerin Susanne Hesse bringt seit sechs Jahren Ordnung in Beate Blankes Leben. Sie ist eine von vier festangestellten Mitarbeitenden im Betreuungsverein Hochsauerlandkreis in Meschede. Der Verein betreut etwa 120 Klienten und ist für diese Menschen lebenswichtig.
Sarah Koolmann von der Caritas, Erzbistum Paderborn
„Wir haben im Frühjahr eine Umfrage gestartet. Neun Betreuungsvereine denken über Schließung nach, weil sie nicht mehr kostendeckend arbeiten können“, erklärt Sarah Koolmann. Die Juristin organisiert die 24 Betreuungsvereine im Erzbistum Paderborn.
Fallpauschalen sind zu hoch
„Wir arbeiten seit Jahren unterfinanziert. Es gibt keine Schraube mehr an der wir noch drehen können, dass wir das Minus reduzieren könnten.“ Sarah Koolmann wünscht sich, „Fallpauschalen, die so hoch sind, dass wir auskömmlich arbeiten können.“ Der Betreuungsverein in Meschede hat Glück. Die Stadt unterstützt den Verein finanziell.
Das Problem sei, dass die Fallpauschalen seit 2019 nicht erhöht wurden. Aus dem neuen Gesetzentwurf geht nicht hervor, wie die Vereine ihre Mehrkosten stemmen könnten. Denn inflationsbedingt seien auch Betreuungskosten immens gestiegen - ohne, dass von Bund oder Land mehr Geld käme.
Nach sechs Jahren raus aus der Privatinsolvenz
Beate Blanke (r.) und Susanne Hesse (l.) im Gespräch
Beate Blanke und Betreuerin Susanne Hesse sind seit sechs Jahren ein Team. Bei ihrem ersten Treffen hat Susanne Hesse Wäschekörbe voll mit ungeöffneter Post mit nach Hause genommen – darunter Briefe von 60 Gläubigern: „Zuerst ist immer Chaos. Dann krempeln wir die Ärmel hoch und wenn die Leute mitarbeiten, bekommen wir das gemeinsam hin.“
Zusammen haben sie es geschafft. Seit Juni ist Beate Blanke raus aus der Privatinsolvenz. Sie lebt in einer kleinen Wohnung, hat ein Taschengeldkonto, dass ihre Betreuerin kontrolliert. Müsste der Betreuungsverein schließen, müsste Beate Blanke ohne Susanne Hesse auskommen. Für Beate Blanke ist das unvorstellbar: „Was wäre denn dann? Ich wüsste doch gar nicht, was ich machen sollte.“
Unsere Quellen:
- Betreuungsverein Hochsauerlandkreis
- Erzbistum Paderborn