80 Jahre Möhnekatastrophe
04:02 Min.. Verfügbar bis 19.05.2025.
Vor 80 Jahren: Britische Spezialbomben zerstören die Möhnesee-Staumauer
Stand: 17.05.2023, 08:18 Uhr
Exakt am Mittwoch vor 80 Jahren wurde kurz nach Mitternacht die Möhnesee-Staumauer bombardiert - mit katastrophalen Folgen für das ganze Ruhrtal.
In England kennt fast jedes Kind den Namen "Möhnesee" und die Staumauer dort. Denn für die Briten steht die Bombardierung der Möhnetalsperre für einen großen Erfolg und für militärisches Geschick und Taktik.
Immerhin wurde extra eine spezielle Roll-Bombe entwickelt, um deutsche Sperrmauern brechen zu können.
Zwischen 1.300 und 1.500 Todesopfer
In Deutschland und erst recht am Möhnesee sieht man das anders: Die Zahlen gehen auseinander, aber zwischen 1.300 und 1.500 Menschen sind in den Fluten umgekommen, deutlich über die Hälfte Zwangsarbeiterinnen in einem Arbeitslager in Neheim.
Karl-Heinz Wilmes war bei der Katastrophe knapp fünf Jahre alt.
Nicht nur zum Jahrestag denkt Karl-Heinz Wilmes an die Katastrophe vor seiner Haustür. Er war knapp fünf Jahre alt, als die britischen Bomber kamen.
Zeitzeuge erinnert sich
Er steht an der mächtigen Staumauer am Möhnesee. Auch wenn er noch klein war: Er kann sich noch genau erinnern, was er gesehen hat. "So etwas kann man nicht vergessen", sagt der 84-Jährige.
"Alle dachten hier, die Staumauer ist sicher, da kann nichts passieren", erzählt Wilmes. Es gab zwar eine Flak-Abwehr, aber in erster Linie verließ sich das deutsche Militär auf Torpedonetze. Die würden Bomben aufhalten.
Briten entwickelten neue Spezialbomben
Was hier niemand wusste: In einer Geheimoperation hatten die Briten eine Spezialbombe entwickelt und die Anflüge an einer fast baugleichen Staumauer erprobt. Die Neuerfindung konnte rotierend über Fangnetze hüpfen. "Wie ein Stein, den man über das Wasser springen lässt", erklärt der 84-Jährige.
Die verheerenden Folgen des Angriffs auf die Staumauer.
Eine der Bomben traf genau und riss so ein riesiges Loch in die Sperrmauer. Mit gravierenden Folgen: Die Flutwelle zerstörte Häuser in Günne, Wickede und Ense, erfasste ein Lager mit Zwangsarbeiterinnen in Neheim. Die Flut brachte Tod und Verderben bis ins Ruhrgebiet.
Neue Ausstellung startet am Mittwoch
Das 2.000-Einwohner-Dorf Günne liegt direkt neben und unterhalb der Sperrmauer. Karl-Heinz Wilmes lebt hier, war lange Ortsvorsteher.
In der Schützenhalle wird ab Mittwoch eine Ausstellung präsentiert: Die meisten Fotos und Dokumente hat Karl-Heinz Wilmes zusammengetragen.
Sein Wissen will er weitergeben, deshalb arbeitet der Günner eng mit den Archiven der Gemeinden in Möhnesee, Ense und Wickede zusammen. "Das, was Herr Wilmes recherchiert hat, ist wirklich ein Schatz für uns", erklärt dazu der heutige Ortsvorsteher Egbert Nölle.
"Die hatten alle das Leben noch vor sich. Das war so grausam"
Der Blickwinkel auf die Möhnekatastrophe hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Während in den 50er-, 60er- und auch 70er-Jahren fast nur über die vielen Opfer aus Westfalen berichtet wurde, rückten erst viel später die Zwangsarbeiterinnen in den Fokus.
1.000 Menschen - zumeist Frauen - wurden in Neheim gezwungen, für die deutsche Rüstungsindustrie zu arbeiten.
Die Akte einer der Zwangsarbeiterinnen eines Betriebs. Auch sie ist ertrunken.
Etwa 800 der Gefangenen starben in der Flutwelle, die die Ruhr entlang rollte. Viele Jahre lang wollte davon niemand etwas wissen. "Das waren junge Mädchen. Die hatten alle das Leben noch vor sich. Das war so grausam", sagt Karl-Heinz Wilmes.
Wilmes gibt sein Wissen und seine Erinnerungen weiter
Die Kriegs-Katastrophe mit seinen vielen grausamen Facetten hat den 84-jährigen Karl-Heinz Wilmes nicht mehr losgelassen. Das, was direkt vor seiner Haustür passiert ist, will er weitervermitteln.
Deshalb stellt er weiter Fotos zusammen, recherchiert Ungeklärtes, spricht mit Jüngeren, besonders gern auch mit Jugendlichen. "Die Möhnekatastrophe hat Günne tief getroffen und wir sollten uns immer daran erinnern, wie schlimm kriegerische Auseinandersetzungen sind", erklärt er, als er letzte Fotos für die Ausstellung an eine Stellwand heftet.
"Es trifft immer besonders die, die sich nicht wehren können: Familien, Alte, Kinder oder wie hier auch eingeschlossene Zwangsarbeiterinnen."
Über dieses Thema berichtet die Lokalzeit Südwestfalen am Mittwoch, 17.05.2023, auch im WDR-Fernsehen und im Hörfunk auf WDR 2.