"Mr. WDR" - 44 Jahre lang prägte Fritz Pleitgen den Sender

Stand: 16.09.2022, 15:28 Uhr

Teil 2/3 - Lesen Sie weiter in Teil 2: "Das Adrenalin muss fließen" – auch in Köln

Von Marion Kretz-Mangold

Die richtige Mischung aus Taktik und Diplomatie

Er wechselt von Ost nach West, geht als ARD-Korrespondent nach Washington - weit weg von Stasi-Spitzelei, Zensur und Behörden-Schikane. Korrespondent wäre er gerne geblieben, China, sagt er, hätte seine Frau auch gereizt.

Aber Friedrich Nowottny, ein Kollege aus Bielefelder Zeiten und inzwischen WDR-Intendant, ruft ihn zurück ins Mutterhaus, weil der Job als Fernseh-Chefredakteur frei ist. Da ist er 50, hat 18 Jahre lang Studios geleitet und gelernt, wann der richtige Moment für ein Gläschen Wodka gekommen ist oder wann es besser scheint, Bilder nicht zu senden. Kurz: "Ich fühlte mich gerüstet." Pleitgen ist da ebenso pflicht- wie selbstbewusst.

"Der WDR ist mein Ding"

Eigentlich, betont er immer wieder, will er gar keine Karriere machen. Aber er greift zu, wenn ihm wieder einmal ein Chef-Posten angeboten wird – beim Fernsehen, beim Hörfunk, schließlich, im Jahr 1995, an der Spitze des Senders. "Der WDR ist einfach mein Ding", sagt er.

Er nutzt auch jede Chance, um ihn zu reformieren. Denn die kommerzielle Konkurrenz, so sieht er es, bedroht den WDR und das gesamte öffentlich-rechtliche System. "Unser Auftrag ist Information und Aufklärung", mahnt er, und: "Ein bisschen mehr Bewegung tut not".

Also setzt er auf das Internet und auf lokales Fernsehen, hebt 1LIVE, Phoenix und das Frühstücksfernsehen mit aus der Taufe und bringt den Nacht-Talker Domian mit einem lapidaren "Halten Sie sich an die Gesetze und legen Sie los" auf den Weg. Pleitgen als Macher und Verteidiger der Öffentlich-Rechtlichen: Da fühlt er sich in seinem Element.

Schleichwerbung und Sponsoring

Nicht alles gelingt ihm. Für Entscheidungen bei Programm und Personal erntet er oft Kritik, und handfeste Skandale um umstrittene Sponsoring-Verträge und Schleichwerbung rücken die ARD in schlechtes Licht.

Pleitgen, der zwei Jahre lang auch Chef des gesamten Senderverbundes ist, übt Selbstkritik: "Es hat mich gewurmt, dass ich das nicht verhindert habe", kommentiert er die Schleichwerbungsaffäre später.

Das Adrenalin muss fließen

Pleitgen schätzt klare Worte und eine klare Haltung – als Journalist vor der Kamera und Chef am Schreibtisch. Er geht auch keinem Konflikt aus dem Weg. "Viel Feind, viel Adrenalin", ist seine Parole.

Streit gibt es in den fast 20 Jahren mit und unter Pleitgen reichlich, um Gebührenerhöhungen und die Fußball-Bundesliga, mit der EU, den SPD-Parteifreunden in der Landesregierung und den Kollegen von der ARD. Er selbst beschreibt sich so: "Ich habe von den Rheinländern die Beweglichkeit, von den Ostwestfalen die Standfestigkeit. Mehr kann man doch gar nicht verlangen."