Warum immer mehr Staaten TikTok teilweise verbieten und in den USA ein Komplettverbot droht
Stand: 10.03.2023, 12:22 Uhr
In den USA droht durch einen Gesetzentwurf ein generelles Verbot der populären App TikTok. Auch andere Länder und Institutionen ziehen nach. Wie bedenklich ist die App wirklich – und wie können sich Nutzer effektiv schützen? WDR-Digitalexperte Jörg Schieb gibt Antworten.
Schon Ex-Präsident Donald Trump hatte TikTok als Bedrohung für die Sicherheit der USA gesehen – und Maßnahmen bis zum Verbot angedroht. Damals noch von vielen belächelt, haben nun Republikaner und Demokraten einen gemeinsamen Gesetzentwurf namens "Restrict Act" vorgelegt, der in den USA tatsächlich ein generelles Verbot der vor allem bei Jugendlichen so populären chinesischen App TikTok ermöglichen könnte.
TikTok auf vielen Diensthandys bereits verboten
Im US-Kongress, im Weißen Haus und in Kanada ist die Video-App auf Diensthandys längst strikt tabu. Auch auf den Smartphones der EU-Kommission darf die App ab Mitte März nicht mehr benutzt werden. Verboten ist TikTok seit heute (10.03.2023) ebenso in Belgien sowie schon länger im lettischen Außenministerium. Die Liste wird immer länger.
Auch bei der deutschen Bundesregierung ist TikTok auf Diensthandys weder installiert, noch kann es heruntergeladen werden. Politiker wie Mitarbeiter müssen auf die App verzichten. Einzige Ausnahme ist Karl Lauterbach und das Gesundheitsministerium, da es seit März 2020 einen eigenen Tiktok-Kanal gibt, um Gesundheitsinformationen zu posten.
Sorge vor chinesischer Spionage
Die größte Sorge: Drohende Spionage durch den chinesischen Staat. Denn in China sind autokratische Regierung und Wirtschaft nicht entkoppelt. Die Regierung könnte also jederzeit auf die Daten des TikTok-Konzerns zugreifen.
Wer die App auf seinem Smartphone installiert hat, generiert unentwegt Metadaten. Nicht nur über eigene Vorlieben und Nutzungsverhalten, sondern ebenso, welches Smartphone im Einsatz ist, in welche WLANs sich das Gerät einbucht oder welchen Mobilfunkanbieter man verwendet. Direktnachrichten sind unverschlüsselt und können mitgelesen werden. Alles Daten, die wertvoll sein können – und sich missbrauchen lassen.
Wichtig: Die Rechte für TikTok überprüfen und maximal möglich einschränken, damit die App nicht auf Kontakt oder Standort zugreifen kann
Bewegungsprofile: TikTok kennt Aufenthaltsort
Es entstehen auch lückenlose Bewegungsprofile. Denn TikTok erfasst – so wie Google, Facebook, Instagram oder Twitter – ständig den Standort und kann so genaue Bewegungsmuster anfertigen. Anhand dieser Daten lässt sich nachvollziehen, wo sich jemand aufhält – und sogar, welche Personen sich treffen. Befinden sich zwei Personen am selben Ort und haben nur wenige Zentimeter Abstand, ist das ein Beleg für ein Treffen.
TikTok betont zwar immer wieder, es würden keine Daten nach China abfließen. Doch längst besteht Gewissheit, dass es sehr wohl so ist. In 2022 hatte TikTok-Betreiber Bytedance eingeräumt, die Nutzerdaten von drei US-Journalisten überprüft zu haben – in diesem Fall, um zu ermitteln, ob es zu einem Treffen mit ByteDance-Mitarbeitern gekommen ist. Ein eindeutiger Fall von Spionage – und eine der Belege, wieso Sicherheitsorgane wie das FBI TikTok in den USA als erhebliches Sicherheitsrisiko einstufen.
TikTok baut Rechenzentrum in der EU
TikTok ist erkennbar bemüht, Vertrauen zurückzugewinnen. Das Unternehmen baut in Irland ein Rechenzentrum und hat den Bau von zwei weiteren Rechenzentren angekündigt, ein weiteres in Irland und eins in Norwegen.
Hier sollen künftig die Daten europäischer Nutzer gespeichert werden – und nicht mehr in Singapur und USA, wie bislang. Das soll den strengen Anforderungen der EU genügen. Treuhänder sollen überwachen, ob und welche Daten nach China fließen.
Die App TikTok erfasst auch das Nutzungsverhalten: In iOS lässt sich das verhindern
Tipp: Sicherheitseinstellungen anpassen
Wer TikTok benutzt, muss sich des Risikos bewusst sein, dass Daten erhoben, gespeichert und ausgewertet werden – im Zweifel auch in China. Wichtig ist, die Einstellungen für Privatsphäre und Sicherheit anzupassen: Einfach der App in Android oder iOS den Zugriff auf die Kontakte und den aktuellen Standort verweigern. Auch die Auswertung des Nutzungsverhaltens sollte abgeschaltet werden, damit die App nicht mitbekommt, welche anderen Apps im Einsatz sind.
Wer vertrauensvoll kommunizieren will, sollte dafür niemals TikTok nutzen. In der App erfolgen Direktnachrichten unverschlüsselt, der Betreiber kann also mitlesen. Und wer den internen Browser in der App verwendet, geht das Risiko ein, dass auch Passwörter abgegriffen werden. Deshalb sollte TikTok niemals zum Versenden sensibler Daten genutzt werden – auch sollten keine Links angeklickt werden.
Über den Autor
WDR-Digitalexperte Jörg Schieb
Jörg Schieb, Jahrgang 1964, ist WDR-Digitalexperte und Autor von 130 Fachbüchern und Ratgebern. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf unseren Alltag.