Vor den heutigen Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Pandemie in Deutschland deutet alles auf eine Verlängerung der Maßnahmen hin. Angesichts der Ausbreitung von neuen Corona-Mutanten in Europa gebe es kaum Spielräume für eine Lockerung der Regeln, erklären Politiker und viele Wissenschaftler. Fragen und Antworten.
Haben sich Corona-Mutanten in Deutschland schon weit verbreitet?
Bis vor wenigen Tagen konnte man über diese Frage nur spekulieren. Am Freitag stellte das Robert Koch-Institut (RKI) eine erste Analyse zur Verbreitung der neuen Virus-Varianten vor. "Das Virus ist noch nicht müde - es hat gerade einen Boost bekommen", sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. In Deutschland sei vor allem die Variante B.1.1.7 auf dem Vormarsch, die zuerst in Großbritannien entdeckt wurde.
Bei der Analyse von 30.000 positiven Corona-Proben konnte die sogenannte britische Mutation B.1.1.7 demnach 1.800 mal nachgewiesen werden. Das entspricht einem Anteil von 5,8 Prozent. Noch sei die Datenlage zwar dünn, erklärte Wieler. Aber es deute alles auf eine "zunehmende Verbreitung dieser Variante" hin. Weitere Mutanten, die aktuell in Südafrika (B.1.351) und Brasilien (P.1) kursieren, sind hingegen in Deutschland bisher nur selten aufgetreten.
Die Analyse soll nun in zweiwöchigen Abständen wiederholt werden, um ein klares Bild über die Verbreitung zu erhalten.
Lässt sich die Ausbreitung der mutierten Varianten noch stoppen?
Bundeskanzlerin Merkel sagte nach Beratungen mit Experten, dass die britische Variante des Virus in wenigen Wochen auch in Deutschland die dominante sein werde. Man glaube, dass sich die Mutante etwa alle zehn Tage verdoppele.
SPD-Gesundheitspolitiker und Virologe Karl Lauterbach hat eigene Berechnungen angestellt. Bei derzeitiger Ausbreitung der Mutanten werden ihm zufolge die Fallzahlen nur noch bis Ende Februar sinken - dann sei eine dritte Welle der Pandemie wahrscheinlich.
Schon jetzt habe sich die sogenannte britische Variante in Deutschland erheblich weiter verbreitet als bekannt. Lauterbach plädierte für eine Verschärfung der Corona-Regeln. "Die politisch schlechteste Lösung wäre: Warten, bis die dritte Welle beginnt, weil dann die Bevölkerung reif für die schlechte Nachricht wäre."
Gibt es auch andere Einschätzungen der Gefahrenlage?
Für eine Verschärfung der Schutzkonzepte wegen der neuen Mutanten gebe es keinen zwingenden Grund, sagt zum Beispiel Virologe Klaus Stöhr, Leiter des Global-Influenza-Programms der WHO.
Zwar seien die neuen Virus-Varianten ansteckender. Dies habe aber bisher in anderen betroffenen Ländern keinen messbaren Einfluss auf den Erfolg der Corona-Maßnahmen gehabt. Auch in Ländern, in denen Mutanten inzwischen dominierten, habe der "Lockdown" gewirkt. In Irland sei die Zahl der Neuinfektionen in wenigen Wochen um 80 Prozent gesunken, in England um 60 Prozent.
Diese Einschätzung der Lage ist aktuell noch sehr umstritten. In Irland und England sei die dritte Infektionswelle einfach früher gekommen, meint WDR-Wissenschaftsjournalistin Christina Sartori. "Dass dort die Zahlen jetzt sinken, liegt an dem harten Lockdown." Und die Maßnahmen auf den britischen Inseln seien durchweg härter ausgefallen als in Deutschland.
Einen Lichtblick gibt es doch: Ganz verschwinden werde das Virus wahrscheinlich nie, aber bald seinen Schrecken verlieren, sagt Virologe Adam Grundhoff dem WDR. Möglicherweise müssten sich die Menschen auf regelmäßige Impfungen einstellen. Das Virus werde immer wieder mutieren. Glücklicherweise sei die Anpassung der Impfstoffe "relativ einfach" und auch schnell umsetzbar.