Wie sinnvoll ist die Maskenpflicht im Unterricht?

Stand: 08.08.2020, 21:28 Uhr

Wenn am Mittwoch in NRW die Schule wieder startet, müssen ältere Schüler auch im Unterricht eine Maske tragen. Die einen halten das für angebracht, andere kritisieren die Regel scharf.

Von Christian Wolf

In Bussen und Bahnen gilt sie, in Geschäften ebenfalls - und ab Mittwoch auch im Schulunterricht: die Maskenpflicht. Nach dem Ende der NRW-Ferien müssen alle Schüler ab der 5. Klasse einen Mund-Nasen-Schutz tragen. NRW geht damit einen Sonderweg. Unter Experten wird das unterschiedlich bewertet.

Virologen dafür, Ärzteverband dagegen

Unterstützung kommt von der Gesellschaft für Virologie. Bekannte Virologen wie Christian Drosten und Melanie Brinkmann haben sich in einer Stellungnahme für die Maskenpflicht ausgesprochen. "Im Hinblick auf die reale Gefahr der Übertragung zwischen Schülern (…) sprechen wir uns aus alleiniger virologischer Sicht daher für das konsequente Tragen von Alltagsmasken in allen Schuljahrgängen auch während des Unterrichts aus." Die Corona-Gefahr an Schulen dürfe nicht unterschätzt werden. "Wir warnen vor der Vorstellung, dass Kinder keine Rolle in der Pandemie und in der Übertragung spielen."

Der Ärzteverband Marburger Bund hält hingegen nichts von der Maskenpflicht. "Ich glaube, dass das sinnlos ist", sagt Michael Krakau vom Marburger Bund NRW. Erstens könne im Unterricht ein Abstand von 1,5 Metern gut eingehalten werden, zweitens säßen die Schüler alle in eine Richtung und der Lehrer oder die Lehrerin könne entsprechend Abstand halten. "Dauerhaft Unterricht mit Maske halte ich für extrem schwierig", so Krakau.

Vor angeblich negativen Folgen auf Entwicklung und Psyche der Kinder warnt eine Kinderärztin aus Herdecke in einem offenen Brief an NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Für junge Schüler sei es sehr wichtig, Gesicht und Mimik ihres Gegenübers sehen zu können. Die Maskenpflicht könne zudem Angststörungen wie Waschzwang oder Schlafstörungen verstärken. Der Brief wurde von mehr als 100 Medizinern, Sozialarbeitern und Lehrern unterschrieben.

Ganz anders sieht das der Direktor der Kinderklinik in Dortmund, Prof. Dominik Schneider. Es sei nachgewiesen, dass Jugendliche "ein höheres Infektions-Weitergabe-Risiko als kleine Kinder" hätten. Von daher hält er eine Maskenpflicht im Unterricht für "absolut angemessen und richtig", betonte Schneider in der "Aktuellen Stunde" am Samstagabend. Zwar gab auch der Direktor zu, dass die Maske für die Kinder "eine Belastung" sei, gesundheitsgefährdend sei sie aber auf keinen Fall.

Lehrer sind sich uneins

Doch auch unter den Lehrern herrscht Uneinigkeit. Masken im Unterricht seien "zwar nicht ideal für ein lebendiges Unterrichtsgeschehen, aber ein Opfer, das zu bringen ist, wenn wir wieder vollständigen Unterricht haben wollen, zumindest befristet, solange die Infektionszahlen in Deutschland weiter steigen", sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger. Seiner Ansicht nach sollten alle Länder dem Weg Nordrhein-Westfalens folgen.

Ganz anders klingt das bei der Lehrergewerkschaft GEW. Die NRW-Vorsitzende Maike Finnern nennt die Maskenpflicht "pädagogisch unsinnig" und eine "große Belastung" für die Schüler. Hätte das Schulministerium an Konzepten gearbeitet, die den Unterricht entzerrten und Abstand ermöglichten - statt bis zu 35 Schüler mit Maske in einen Klassenraum zu setzen - wäre diese extreme Maßnahme nicht nötig gewesen.

Schüler fordern Unterricht im Freien

Und was sagen die Betroffenen? Die Landesschüler*innenvertretung findet die Maskenpflicht grundsätzlich sinnvoll, um die Infektionszahlen unter Kontrolle zu halten. Aber: "Unter einer Maske arbeitet es sich viel schwieriger und in unseren nicht-klimatisierten Schulgebäuden kommt das dann natürlich noch mal doppelt und dreifach zum Tragen", kritisiert Moritz Bayerl. Lehrer sollten deshalb alternative Unterrichtsformen wählen, zum Beispiel bei gutem Wetter in Parks gehen und draußen unterrichten.