Grüne wollen Corona-Maßnahmen planbar machen

Stand: 22.01.2021, 17:38 Uhr

Alle paar Wochen beraten die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin über Anti-Corona-Maßnahmen. Die grüne Opposition im Landtag will statt des Regel-Pokers einen Plan absehbarer Maßnahmen.

Von Tobias Zacher

Die oppositionellen Grünen im NRW-Landtag haben einen einheitlichen Stufenplan im Umgang mit der Corona-Pandemie vorgeschlagen.

Verlässlichkeit gefordert

Damit wollen sie verhindern, dass jeweils von Beratungsrunde zu Beratungsrunde zwischen Bund und Ländern neu über Anti-Corona-Maßnahmen entschieden werden muss. Stattdessen soll längerfristig ein verbindlicher Plan gelten, in dem Einschränkungen in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen eingeführt oder außer Kraft gesetzt werden.

"Die Menschen wollen Verlässlichkeit und Klarheit - einen Plan, damit sie wissen, woran sie sind", sagte Fraktionschefin Verena Schäffer am Freitag vor Journalisten. In dem 15-seitigen Papier schlägt die Landtagsfraktion vier Stufen vor, die durch steigende oder fallende Infektionszahlen erreicht werden.

Maßnahmen in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen

Maßgeblich für das Einsortieren in Stufen sind die Infektionszahlen in kreisfreien Städten und Kreisen. Je nachdem, wie sich dort jeweils die Zahlen verändern, sollen strengere Maßnahmen oder Lockerungen vor Ort greifen.

Eine Besonderheit sehen die Grünen für die höchste Stufe 4 vor: Hierfür sollen auch die Infektionszahlen in den kreisangehörigen Gemeinden zählen. Das bedeutet: Wenn der gesamte Kreis geringe Infektionszahlen hat, aber eine einzelne kreisangehörige Gemeinde eine Wocheninzidenz über 200 aufweist, dann gelten für diese Gemeinde Maßnahmen der strengsten Stufe 4, nicht jedoch für den gesamten Kreis.

Stufe 1 (Wocheninzidenz unter 50)

AHA+L-Regeln

Stufe 1 gilt nach dem Plan der Grünen für Orte mit eine Wocheninzidenz von unter 50. Hier würde das öffentliche Leben aufrecht erhalten, unter Einhaltung der bekannten AHA+L-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske, Lüften).

Stufe 2 (Wocheninzidenz über 50)

Wechselunterricht in Schulen, Homeoffice in Firmen

Stufe 2 wäre ab einer Wocheninzidenz von über 50 erreicht. Schulen würden hier im so genannten Wechselunterricht betrieben, das heißt: Klassen werden halbiert und in feste Lerngruppen aufgeteilt, die abwechselnd Distanz- und Präsenzunterricht bekommen. Auch in Kitas würden feste Gruppen gebildet. Unternehmen müssten ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schicken oder, falls das nicht möglich ist, regelmäßig Schnelltests durchführen.

Kantaktbeschränkung auf zwei Hausstände oder zehn Personen

Einzelhandel, Gastronomie und Kultur würden grundsätzlich geöffnet bleiben, aber unter zusätzlichen Hygienemaßnahmen. Der Nahverkehr würde den Takt erhöhen. In der Öffentlichkeit dürften sich Mitglieder aus zwei Hausständen oder höchstens zehn Personen treffen.

Stufe 3 (Wocheninzidenz über 100 oder zwei Wochen lang über 50)

Viele Geschäfte geschlossen

Stufe 3 würde alle Gemeinden umfassen, die eine Wocheninzidenz über 100 haben - oder die seit mehr als zwei Wochen eine Inzidenz über 50 aufweisen. In diesen Gemeinden wollen die NRW-Grünen "harte Maßnahmen", so sollen "die meisten Geschäfte, die Gastronomie und Kultureinrichtungen geschlossen werden", wobei diese jeweils nicht näher definiert sind. Für Unternehmen soll dann eine Homeoffice-Pflicht gelten, "für alle Tätigkeiten, die das erlauben".

Kontakte nur mit zwei Menschen aus einem weiteren Hausstand

Weiterführende Schulen sollen vollständig Distanzunterricht machen, Kitas würden zusätzlich die Betreuungszeiten reduzieren und Wechselmodelle "prüfen". In der Öffentlichkeit dürfte sich ein Hausstand mit maximal zwei Mitgliedern eines weiteren Hausstandes treffen, wobei betreuungspflichtige Kinder nicht mitzählen.

Stufe 4 (Wocheninzidenz über 200)

Ausgangssperre nach 21 Uhr

Stufe 4 wäre ab einer Wocheninzidenz über 200 erreicht. In diesen so genannten Hotspots würde eine nächtliche Ausgangssperre ab 21 Uhr eingeführt, ebenso eine Pflicht zum tragen medizinischer Masken "in der gesamten Innenstadt", wie es im Papier heißt.

Schnelltests für "Systemrelevante", Treffen mit einer Person

Zusätzlich würden auch Grundschulen Distanzunterrricht machen, und "systemrelevante Personen" müssten täglich mit Schnelltests versorgt werden - wobei nicht klar wird, wer zu diesem Personenkreis zählt. In den Hotspots dürfte sich jeder Hausstand nur noch mit einer weiteren Person treffen, betreuungspflichtige Kinder nicht mitgezählt.

Grundsätzlich rechnen die Grünen damit, dass die strengste Stufe vier selten erreicht wird, weil schon über einer Wocheninzidenz von 100 (Stufe 3) "ein Shutdown stattfindet", wie sie formulieren. Liegt der Inzidenzwert eine Woche lang stabil unter einer Stufengrenze, sollen Einschränkungen zurückgenommen werden.

Schulen würden früher als bisher auf Präsenzunterricht verzichten

Insgesamt betrachtet setzen sich die Grünen mit diesem Stufenplan für eine relativ frühe Einführung von Wechsel- und Distanzunterricht ein - beides ist von der schwarz-gelben Landesregierung in den vergangenen Monaten sehr zurückhaltend angestoßen worden. Auch die skizzierte Homeoffice-Regelung würde früher und strenger greifen als bisher. Darüber hinaus sieht das Papier grundsätzlich medizinische Masken in geschlossenen Räumen und im Nahverkehr vor.

Ein solcher Stufenplan sei für die ganze Bundesrepublik wünschenswert, finden die Grünen. Zumindest für NRW sollte die Landesregierung so ein Regelwerk, falls nicht anders möglich, auch allein beschließen.

Teststrategie und Recht auf Homeoffice

Neben dem Stufenplan schlägt die Grünen-Fraktion in ihrem Positionspapier auch eine Teststrategie sowie besseren Infektionsschutz im Nahverkehr und in den Schulen vor. Sie plädieren außerdem für ein Recht auf Homeoffice und eine Beschleunigung der aktuellen Impfungen. "Für die schnelle Impfung von über 80-Jährigen, die zu Hause leben, braucht es Impfbusse", forderte der gesundheitspolitische Sprecher Mehrdad Mostofizadeh. Damit will er verhindern, dass die Senioren in die oft entfernten Impfzentren fahren müssen.