"Ungemütlich": So steigt der Druck auf Ungeimpfte

Stand: 11.09.2021, 12:45 Uhr

Eine allgemeine Impfpflicht haben bislang die Bundes- und alle Landesregierungen ausgeschlossen. Doch mit diesen Mitteln wird der Druck auf Ungeimpfte erhöht.

Es bleibt bei den Beteuerungen aus der Politik: Eine allgemeine Corona-Impfpflicht wird es nicht geben. Aber es werden möglichst viele Register gezogen, um den Druck auf jene zu erhöhen, die nicht geimpft sind, sich aber durchaus impfen lassen könnten.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte am Donnerstag im Landtag, es sei an der Zeit, dass es "für Nichtgeimpfte ungemütlich wird". Und das sind die Hebel, die die Politik ohne eine allgemeine Impfpflicht hat.

Keine Lohnfortzahlung in der Quarantäne

Ab dem 11. Oktober dreht das NRW-Gesundheitsministerium ungeimpften Kontaktpersonen von Infizierten in der Quarantäne den Geldhahn zu: Dann gibt es keine Entschädigung für Verdienstausfall mehr. Das hat am Freitag das Ministerium mitgeteilt.

Die 2G-Regel in Stadien, Restaurants, Bars

Hamburg machte es vor: Dort können Restaurant-, Club- und Barbesitzer:innen entscheiden, ob sie statt 3G nur 2G einlassen. Also nur Geimpfte und Genesene. Wer nur einen Test vorweisen kann, bleibt außen vor. Auch der 1. FC Köln hält es so mit dem Stadionbesuch. In Wuppertal wird darüber diskutiert, 2G für öffentliche Einrichtungen einzuführen.

Das Bezahlen von Corona-Tests

Am 10. Oktober laufen die kostenlosen Corona-Bürgertests aus. Wer danach noch einen Test braucht, muss zahlen. Und das gilt auch für Lehrkräfte an Schulen oder Kita-Personal. Wenn dort für Ungeimpfte tägliche Tests angeordnet werden, dann wird es am Ende richtig teuer. Von der Zeit und dem Aufwand, der damit verbunden ist, einmal ganz abgesehen. Denn die Test-Infrastruktur hat sich mit steigender Impfquote immer mehr ausgedünnt und wird sich mit dem Ende der Bürgertests wohl weiter reduzieren.

PCR statt Schnelltest

Eine weitere Verschärfung deutet sich durch die öffentliche Diskussion an: Dass nämlich das dritte "G" also der Status als getestet, nicht mehr durch günstige Antigen-Schnelltests nachgewiesen werden kann, sondern nur noch durch PCR-Tests. Das hatte zum Beispiel Hamburgs Regierender Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gefordert.

Die PCR-Tests sind zwar deutlich sicherer, aber auch aufwändiger und teurer. Auf das Labor-Ergebnis muss man länger warten. Also fix ins Testcenter und danach relativ spontan shoppen, schmausen oder ins Fitness-Studio wäre dann nicht mehr möglich.

Das Fragerecht: Bist du geimpft?

Auch wenn laut Infektionsschutzgesetz des Bundes nur klar umrissene Berufsgruppen wie die in Schulen, Kindertageseinrichtungen, Obdachlosenunterkünften oder Justizvollzugsanstalten den Impfstatus mitteilen müssen - in immer mehr Unternehmen wird auf freiwilliger Basis abgefragt, ob die Beschäftigten gegen das Corona-Virus immunisiert sind. Sind alle geimpft, dann wollen einige Vorgesetzte beispielsweise die AHA-L-Regeln fallen lassen und mit ihren Teams zurück zur Normalität.

Klar, bei der Impfstatus-Abfrage handelt es sich um sensible Gesundheitsdaten. Aber wenn alle im Team offen über ihre Doppel-Impfung reden und eine oder einer schweigt sich aus, ist klar, wer allen anderen die Rückkehr zur alten Unbeschwertheit verwehrt. Auch das übt Druck auf Ungeimpfte aus.

Noch offen: der öffentliche Nah- und Fernverkehr

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, will bundesweit überall dort, wo es möglich ist, eine 2G-Regel einführen. Der Funke-Mediengruppe sagte er, wo es nicht praktikabel wäre, Ungeimpfte auszuschließen, wie etwa im öffentlichen Nahverkehr, müsse die 3G-Regel gelten - also Zugang auch für negativ Getestete. Ungeimpfte sollten dort aber einen PCR-Test vorweisen müssen, ein Schnelltest dürfte nicht ausreichen.

Das wäre eine massive Zugangsbeschränkung für den ÖPNV: Weil es anfängt zu regnen, doch spontan die Bahn nehmen statt des Fahrrads? Das geht dann nicht mehr. Doch wer soll das kontrollieren? Die Bahn-Gewerkschaft EVG hat bereits eine Kontrolle in Personenzügen als unzumutbar für das Bahnpersonal zurückgewiesen.

Fazit

Der Druck auf Ungeimpfte nimmt massiv zu. Es hat den Anschein, als wären Regierende zunehmend bereit, maximal auszureizen, was rechtlich möglich ist. Wobei durchaus zu erwarten ist, dass sich die Arbeitsgerichte mit diesen Fragen schon bald befassen werden.

Sich nicht impfen zu lassen, muss man sich künftig wohl leisten können – wegen der Tests, die man zahlen muss, und wegen der drohenden Quarantäne, für die es keine Entschädigung mehr geben wird. Die Frage nach dem Impfstatus gehört definitiv mehr und mehr zum Alltagstalk.