Corona: Umstrittene Grundschul-Öffnung in NRW

Stand: 06.06.2020, 15:37 Uhr

  • Kritik an Grundschul-Plänen in NRW
  • Unklarheiten bei Mindestabstands-Regel
  • Keine eindeutigen Erkenntnisse zur Infektion bei Kindern

Es geht um die Bildungschancen unserer Kinder - einerseits. Andererseits geht es aber auch um deren Gesundheit und um die Gesundheit ihrer Familien. Eine schwierige politische Abwägung, bei der NRW nun in der Grundschule eine umstrittene Entscheidung getroffen hat: Diese sollen ab dem 15. Juni in den Regelbetrieb zurückkehren.

Gilt die Abstandsregel - oder gilt sie nicht?

Diskussionen gibt es vor allem wegen der von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) angekündigten Abkehr von der Regel, mindestens 1,50 Meter Abstand einzuhalten. Dies steht auch so in der vom Schulministerium verschickten "Schulmail" über die neuen Regelungen ab dem 15. Juni. An deren Stelle trete laut Mail ein Konzept, "wonach konstante (Lern-)Gruppen gebildet und durch deren Trennung Durchmischungen vermieden werden." In der offiziellen Pressemitteilung des Ministeriums wird jedoch weder die Regel noch die Abkehr von dieser Regel erwähnt.

Auf den Mindestabstand angesprochen sagte Familienminister Joachim Stamp (FDP) am Freitagabend im ZDF Heute-Journal: "Es ist ja nicht so, dass die Abstandsregeln vollständig aufgehoben werden", man könne aber die 1,50 Meter da organisatorisch so nicht mehr durchhalten.

Corona-Schutzverordnung gilt weiterhin

In NRW gilt weiter die Corona-Schutzverordnung, die für öffentliche Räume grundsätzlich einen Mindestabstand von 1,50 Meter vorschreibt. Bund und Länder hatten sich auf eine Ausnahme geeinigt, wonach bis zu zehn Personen im Freien Kontakt ohne Mindestabstand haben dürfen.

Darauf bezog sich am Freitagabend auch Minister Stamp, als er sagte, man könne grundsätzlich nicht rechtfertigen, "dass bis zu zehn Besaufskis mit dem Bollerwagen durch die Landschaft ziehen können, aber wir umgekehrt nicht in der Lage sind, unseren Kindern Unterricht anzubieten."

Familienminister: "Streit unter Wissenschaftlern"

Gebauer und Stamp wiesen in ihrer Argumentation zur Öffnung der Grundschulen auf wissenschaftliche Studien hin, die darauf hindeuteten, dass es bei Kindern ein geringeres Infektionsrisiko gebe. Die Landesregierung von Baden-Württemberg hatte eine Studie in Auftrag gegeben, die zu dem Schluss kommt, dass Kinder bis zehn Jahre "eine untergeordnete Rolle" als Corona-Überträger spielen.

Familienminister Stamp formulierte es am Freitagabend vorsichtig: Zu dem Thema gebe es einen Streit unter Wissenschaftlern, aber Dänemark und Norwegen hätten die Schulen zum Beispiel seit Wochen geöffnet, trotzdem gebe es dort kein gesteigertes Infektionsgeschehen.

Ein Gegenbeispiel ist das niedersächsische Göttingen, dort haben sich nach Familienfeiern mindestens 120 Personen mit dem Coronavirus infiziert, darunter auch etwa 40 Kinder. Alle Schulen wurden daraufhin zunächst wieder geschlossen, Klassen betroffener Kinder müssen für zwei Wochen in Quarantäne.