In NRW werden Grundschüler bald wieder an mehr Tagen als bisher in die Schule gehen. Das sagte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Freitag (05.06.2020): "Ab Montag, den 15. Juni, sollen alle Kinder im Grundschulalter bis zu den Sommerferien in einem regelhaften Schulbetrieb eine Schule besuchen können."
Unterricht im Klassenverbund
Die Schüler sollen im Klassenverbund ohne Teilung unterrichtet werden. "Die Anwesenheit und Gruppenzusammensetzung müssen dokumentiert werden", betonte die Ministerin. Eine Maskenpflicht bestehe nicht. "Das notwendige Abstandsgebot gibt es dann nicht mehr, es wird feste Gruppen geben", erläuterte Gebauer.
Es werde gestaffelte Anfangs- und Pausenzeiten geben. So soll gewährleistet werden, dass die Kinder in ihren festen Klassengruppen bleiben und Abstand zu anderen Klassen möglich ist. Auch der Betrieb im Offenen Ganztag und in der Übermittagsbetreuung werde wieder aufgenommen.
Ausnahmen für Kinder mit Vorerkrankungen
Kinder mit Vorerkrankungen können von der Schulpflicht befreit werden, vorausgesetzt, sie legen ein Attest vor. Das gelte auch für Kinder, die in einem Haushalt mit vorerkrankten Personen leben.
Die Gründe für den Regelbetrieb in der Pandemie
Das Schulministerium beruft sich auf einen Beschluss, der in Absprache mit dem Kanzleramt entstanden sei. Demnach müsse man das Infektionsgeschehen bei Kindern bis zu zehn Jahren gesondert betrachten, es liege bei nahezu null. Darum müssten die älteren Jahrgänge an den weiterführenden Schulen noch mit dem Regelbetrieb warten.
Die Aufnahme des Regelbetriebs noch vor den Ferien sei wichtig, damit sich die Lehrer einen Eindruck von den Schülern verschaffen können, bevor es ins nächste Schuljahr geht, so Gebauer. Zudem wolle man die Eltern entlasten.
Auch in anderen Bundesländern würden Grundschüler noch vor den Ferien wieder regelmäßig in ihre Grundschulen gehen. Wobei es verschiedene Termine gebe, was auch dem unterschiedlichen Beginn der Sommerferien geschuldet sei, sagte Gebauer.
Wie hoch ist das Infektionsrisiko für unter 10-Jährige?
Diese Frage wird nach der Ankündigung des Regelbetriebs nicht nur von betroffenen Eltern kontrovers diskutiert. Bundes-Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) warnte im "Spiegel", die Länder vor einem überhasteten Einstieg in den Schulbetrieb. "Solange wir noch keinen Impfstoff gegen Covid-19 haben, muss auch an den Schulen weiter allergrößte Vorsicht herrschen, um strukturierten Unterricht anbieten zu können", so Karliczek. Es müsse weiter alles getan werden, "damit die Schulen nicht zu Infektionsherden werden." Karliczek verwies auf die jüngste Studie des Virologen Christian Drosten. Derzufolge gibt es Hinweise auf eine erhebliche Virenlast bei infizierten Kindern.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) begrüßte, dass die Bundesländer zurzeit weitere Schritte der Öffnung gehen: "Das ist natürlich im Interesse der Kinder. Kinder brauchen Kinder."
SPD-Fraktion fordert Konzept für Sommerferien
Aus der SPD-Fraktion heißt es, es sei eine gute Nachricht für Kinder, die jetzt wieder regelmäßig zur Schule gehen könnten. Und für deren Eltern. Die Sozialdemokraten mahnten aber ein Konzept für die Sommerferien an. "Wir wissen, dass sehr viele Eltern ihren Urlaub schon zwangsweise im Rahmen des Lockdown nehmen mussten, dass geplante und gebuchte Urlaubsziele nicht angesteuert werden können, dass es gilt, verpasste Lerninhalte nachzuholen, und dass viele Eltern schlichtweg ein verlässliches Betreuungsangebot für die Ferien brauchen."
Kritik von Gewerkschaften
Die Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Maike Finnern, hält die Rückkehr in den Regelbetrieb vor den Ferien für ein riesiges Wagnis. Die Grundschulen hätten gerade erst mit viel Arbeit Pläne für den Unterricht gemacht und Kindern Abstandsregeln beigebracht. Nun werde all das zwei Wochen vor den Ferien wieder umgeschmissen. Außerdem seien die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Ansteckungsgefahr durch Kinder nicht eindeutig.
Kritik kommt auch vom Verband Bildung und Erziehung (VBE). "Abstandsregeln und die Vermeidung von Infektionsketten sollen keine Rolle mehr spielen", moniert die Lehrergewerkschaft. Die hart erarbeiteten Konzepte mit einem Mix aus tageweisem Präsenzunterricht und Lernen auf Distanz würden nun umgeworfen. Das stehe angesichts von nur noch zwei Wochen bis zu den Ferien "in keinem Verhältnis zum Nutzen".
Rantasten an den Regelbetrieb
Am 7. Mai hatte für die Grundschüler in NRW der Präsenzunterricht in der Schule wieder begonnen. Allerdings waren die meisten Klassen aufgrund der Abstandsregeln stark verkleinert worden. Demzufolge findet aktuell klassischer Schulunterricht für die einzelnen Schüler meist nur an ein oder zwei Tagen in der Woche statt.