Impfskeptiker: "Einige haben subjektiv gute Gründe, warum sie zögern"

Stand: 05.07.2021, 19:07 Uhr

Wie motiviert man mehr Menschen dazu, sich gegen Corona impfen zu lassen? Gesundheitsexperte Benjamin Schüz rät vor allem dazu, die Gründe für das Zögern der Impfskeptiker zu verstehen.

Von Jörn Kießler

Mit "Zuckerbrot und Peitsche" könnte man die Ideen überschreiben, mit denen einige Politiker und Wissenschaftler versuchen wollen, mehr Menschen dazu zu bewegen, sich gegen Corona impfen zu lassen. Die Abschaffung fast sämtlicher Einschränkungen für vollständig Geimpfte wird in diesem Zusammenhang vorgeschlagen. Oder Bußgelder für Menschen, die ihre Impftermine ausfallen lassen.

Doch ist diese Taktik wirklich sinnvoll, um die Impfbereitschaft in Deutschland zu erhöhen und selbst Impfskeptiker zu überzeugen? "Eher nicht", sagt Benjamin Schüz, Professor am Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen. "Gerade mit der Androhung von Strafen erreicht man im Bereich der Gesundheitsvorsorge wenig bis nichts."

Unterschiedliche Gründe für Impfskepsis

Viel wichtiger sei es, zu verstehen, warum manche Menschen damit zögern, sich impfen zu lassen. "Zum einen sind das nicht so viele, wie man annehmen könnte, wenn man die Diskussion über sie verfolgt", so Schüz. "Und nicht alle sind absolute Impfverweigerer." Vielmehr gebe es unterschiedliche Gründe dafür, warum Menschen sich nicht oder noch nicht gegen Corona impfen ließen.

Schlechter Zugang als Hemmnis

"Impfbereitschaft hat auch immer mit Zugang zu tun", erklärt Schüz. Zugang zur Impfung selbst aber auch zu Informationen über die Impfung. "Je leichter Menschen an gut aufbereitete Infos zur Corona-Impfung kommen und je einfacher es ist, sich impfen zu lassen, desto mehr sind auch bereit dazu."

Daher hält er es auch für richtig, mobile Impfteams gerade in sozial benachteiligte Stadtteile zu schicken. "Die Menschen dort haben oft keinen festen Hausarzt, früher schon einmal schlechte Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem gemacht, oder schlicht sprachliche und soziale Barrieren, an gute Informationen und einen Impftermin zu kommen", sagt Schüz.

Impfzögerer sind keine Impfverweigerer

Grundsätzlich sei es wichtig, impfskeptische Menschen nicht zu verurteilen, sagt Schüz. "Denn einige von ihnen haben subjektiv gute Gründe, warum sie zögern." So sei es verständlich, warum beispielsweise Eltern erst einmal kritisch hinterfragten, warum ihre Kinder geimpft werden sollen. "Sie tun das ja, weil sie ihre Kinder schützen wollen", sagt Schüz.

Andere seien um ihre eigene Gesundheit besorgt. "Wenn diese Menschen dann noch irgendwo gelesen oder aufgeschnappt haben, dass von bestimmten Impfstoffen eine Gefahr ausgehen könne, schrecken sie erst einmal vor der Impfung zurück", erklärt Schüz. Auch die wechselnden und teils verwirrenden Empfehlungen zum Impfstoff von Astrazeneca der Ständigen Impfkommission haben seiner Meinung nach die Bedenken gegen das Impfen allgemein befeuert.

"Hier ist es wichtig, dass man diese Menschen nicht als Spinner oder Anhänger von Verschwörungserzählungen bezeichnet", sagt Schüz. Vielmehr müsse man die Ängste ernst nehmen und mit ihnen darüber reden.

Anhängern von Verschwörungserzählungen keine Plattform bieten

Eine ganz kleine Gruppe von Impfskeptikern bezeichnet Schüz als Verweigerer. "Das sind Menschen, die wirklich denken, dass sie mit der Impfung einen Micro-Chip verpflanzt bekommen oder ähnliches", sagt Schüz. Hier sei jegliche Argumentation zwecklos. "Auch weil man selbst Virologe sein müsste, um gegen die Argumente anzukommen, die diese Leute sich über Wochen und Monate auf Verschwörungsseiten im Internet angelesen haben", sagt Schüz.

Alles was dann noch bleibe, sei "Schadensbegrenzung" zu betreiben. "Das heißt, man sollte ihnen keine Plattform bieten, auf der sie ihre Ansichten verbreiten können", so Schüz. Denn diese könnten dann auch wieder dazu führen, dass andere zögern oder sich gegen die Impfung entscheiden.