Bislang war die Wissenschaft der Meinung, Kinder wären weder stark an der Verbreitung des Coronavirus beteiligt noch besonders davon betroffen. Das hat sich mittlerweile geändert. Durch die neue Mutante wird das Coronavirus immer häufiger von Kindern und Jugendlichen übertragen. Zudem beobachten Ärzte immer häufiger "Pims", ein neuartiges Syndrom, das Kinder befallen kann, die eine Covid-Infektion durchgemacht haben.
Vor diesem Hintergrund wird die Zulassung eines Impfstoffs für Kinder und Jugendliche immer wichtiger. Doch wann kann damit gerechnet werden? Für das Format "Eure Fragen" hat sich TV-Moderatorin und Journalistin Dilek Üsük auf Recherchereise begeben.
Wie viele Kinder infizieren sich mit Corona?
Gerade zu Beginn der Corona-Krise wurde Kindern keine große Bedeutung bei der Verbreitung des Virus beigemessen. Spätestens seit Anfang dieses Jahres hat sich das aber geändert. Seit Mitte Februar steigt die Zahl der Neuinfektionen wieder und laut Robert-Koch-Institut ist der stärkste Anstieg bei Kindern zwischen 0 und 14 Jahren zu beobachten.
In den vergangenen vier Wochen hat sich der bundesweite Inzidenzwert in dieser Altersgruppe laut RKI mehr als verdoppelt – von 39,62 Mitte Februar auf 82,68 Mitte März. Allein in der Woche vom 8. bis 14. März wurden dem RKI 9.400 Neuinfektionen von Kindern unter 14 Jahren gemeldet.
Die Ursache dafür sieht SPD-Gesundheitspolitiker und Epidemiologe Karl Lauterbach in der Verbreitung der ansteckenderen britischen Virus-Variante B.1.1.7. Immer mehr Schüler und Kinder infizierten sich damit und sorgten damit auch für viele Folgeinfektionen.
Was ist das "Pim"-Syndrom?
Wissenschaftler und Mediziner sind nicht nur wegen der Zahl der Neuinfektionen unter Kindern besorgt. Es häufen sich auch die Fälle, in denen Kinder und Jugendliche nach der eigentlichen Covid-Erkrankung schwere Symptome entwickeln. Bei "Pims", so der Name des neuartigen Syndroms, erkranken sie zwei bis vier Wochen nach der Infektion so schwer, dass sie womöglich sogar auf der Intensivstation versorgt werden müssen.
"Das ist wie ein Entzündungssturm, der durch den Körper geht und der ganz viele Organsysteme betrifft", erklärt Prof. Dr. Dominik Schneider, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Dortmund. Symptome der Krankheit, die an das Kawasaki-Syndrom erinnert, sind hohes Fieber, Schleimhautentzündungen, Lymphknotenschwellung, Hautausschlag und gerötete Hände. Ursache dafür ist offenbar eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems, die zu Entzündungen in verschiedenen Organen führen kann.
Ein Dutzend solcher Fälle hat Schneider bislang in seiner Klinik erlebt. Weil sich die Fälle ab Ende April 2020 häuften, hat die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie Ende Mai 2020 ein Register eingerichtet, in dem die Fälle gesammelt werden. Bis zum 21. März 2021 entsprachen 245 der gemeldeten Erkrankungen den "Pims"-Kriterien der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Wann gibt es einen Impfstoff für Kinder?
Mehr infizierte Kinder, mehr schwere Fälle und die Gefahr, dass sich die Pandemie durch die Übertragung des Virus in Schulen und Kitas noch schneller ausbreitet. Um das zu verhindern, wäre es sinnvoll, möglichst schnell auch Kinder gegen SARS-CoV-2 zu impfen. Doch bislang gibt es noch keinen Impfstoff, der dafür zugelassen ist.
Allerdings arbeiten die Impfstoff-Hersteller mit Hochdruck daran. Biontech hat bereits im Herbst 2020 mit einer Studie begonnen, in der der Impfstoff Teilnehmern zwischen 12 und 16 Jahren verabreicht wird. In wenigen Monaten soll eine Studie mit Fünf- bis Elfjährigen folgen. Auch die anderen Hersteller der bereits in Deutschland zugelassenen Impfstoffe Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson testen ihre Vakzine bereits an Kindern.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) rechnet damit, dass es noch in diesem Jahr einen Impfstoff für Kinder geben kann. Die Medizinproduktentwicklung für Kinder und Jugendliche sei wegen des sich ständig entwickelnden Organismus' eine besondere Herausforderung, so Prof. Fred Zepp, STIKO-Mitglied und der Leiter der Kinderklinik der Uni Mainz. Mit einem Impfstoff für Jugendliche rechnet er für Mitte des Jahres, für Kinder bis Anfang 2022.